Von der Front ins Fahrwasser
Der Boom der Wehrtechnik scheint ungebrochen – doch selbst Rheinmetall spürt nun erste Risse im Stahlmantel der Rüstungsrally. Am Donnerstagmorgen präsentierte der Düsseldorfer Konzern seine Zahlen für das zweite Quartal.
Die Reaktion an der Börse fiel prompt aus: Die Aktie verlor zeitweise über vier Prozent. Denn trotz steigender Umsätze blieb das Zahlenwerk hinter den hohen Erwartungen zurück – und offenbarte Schwächen, die man von einem vermeintlichen Profiteur der geopolitischen Zeitenwende so nicht erwartet hätte.

Zahlen, die schwerer wiegen als Panzerstahl
Auf den ersten Blick lesen sich die Zahlen solide: Der Umsatz kletterte um knapp neun Prozent auf 2,43 Milliarden Euro, das operative Ergebnis stieg leicht auf 276 Millionen Euro.
Doch der Teufel steckt – wie so oft – in der Marge: Die operative Profitabilität sank von 12,1 auf 11,3 Prozent. Für einen Konzern, der sich als Bollwerk westlicher Sicherheitsinteressen vermarktet und von massiven Aufrüstungsprogrammen profitiert, ist das ein Dämpfer – vor allem, wenn Analysten mehr erwartet hatten.
Der den Aktionären zurechenbare Gewinn verdoppelte sich zwar auf 131 Millionen Euro, doch auch hier hatten viele Marktbeobachter mehr Dynamik eingepreist. Die Enttäuschung machte sich direkt im Aktienkurs bemerkbar – ein Rücksetzer, der zeigt: Der Kapitalmarkt misst Rüstungsfantasien inzwischen mit dem Lineal der Realität.
Aufträge? Ja – aber weniger als gedacht
Besonders auffällig: Der Auftragseingang brach drastisch ein. Die sogenannte „Nomination“, also der Umfang neu vergebener Rahmenverträge, sackte von 11,44 Milliarden Euro im Vorjahresquartal auf nur noch 2,64 Milliarden Euro ab. Eine Schrumpfung um über 75 Prozent – das ist selbst in einem volatilen Geschäft wie der Wehrtechnik eine Ansage.
Rheinmetall selbst verweist auf politische Verzögerungen in Berlin – Stichwort Neuwahlen und zögerliche Haushaltsplanungen – sowie auf Vorzieheffekte aus dem Vorjahr. Beides mag zutreffen, doch es wirft eine größere Frage auf: Wie nachhaltig ist der „Zeitenwende“-Effekt wirklich? Und wie verlässlich ist die Rüstungsbranche als neues Rückgrat des deutschen Börsenmarktes?
Pappergers Paradoxon
Konzernchef Armin Papperger bleibt derweil im Angriffsmodus. Er spricht davon, dass Rheinmetall auf dem Weg sei, „ein globaler Rüstungs-Champion“ zu werden – und verweist auf neue Kooperationen, etwa mit dem US-Giganten Lockheed Martin.
Tatsächlich ist Rheinmetall längst ein Schwergewicht in der internationalen Verteidigungsindustrie. Doch diese Ambition steht in Kontrast zu den aktuellen Zahlen – denn ein Champion überzeugt nicht nur strategisch, sondern auch operativ.
Dass das Management die Jahresprognose dennoch bestätigt, wirkt auf den ersten Blick beruhigend. Auf den zweiten jedoch offenbart sich eine Hintertür: Sollte es zu konkreteren Entscheidungen bei europäischen Aufrüstungsplänen kommen, will man die Ziele anpassen. Eine offene Flanke – auch in der Kommunikation mit Investoren.
Börsianer erwarten mehr als nur Symbolik
Die Rheinmetall-Aktie hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs eine bemerkenswerte Rally hingelegt. Sie wurde zum Symbol einer wirtschaftlichen Zeitenwende, zum Börsenstar eines Landes, das sich lange schwer tat mit seiner Verteidigungsidentität.
Doch mit steigenden Kursen steigen auch die Erwartungen – und die verzeiht der Kapitalmarkt nicht so leicht. Wer sich als Garant westlicher Sicherheit inszeniert, muss auch als verlässlicher Performer abliefern. Alles andere wirkt wie ein rhetorischer Panzer mit zu schwachem Motor.
Das könnte Sie auch interessieren:
