Washington stellt laufende Projekte infrage
Die Maßnahme betrifft Windparks vor den Küsten von Massachusetts, Connecticut, New York und Virginia. Es geht nicht um Planungen auf dem Papier, sondern um Vorhaben, in die bereits Milliarden geflossen sind. Fundamente stehen, Lieferketten laufen, Verträge sind unterschrieben. Nun ordnet die Regierung eine Pause an, um mögliche Risiken neu zu bewerten.
Konkret verweist das Innenministerium auf Regierungsberichte, wonach die Bewegung großer Turbinenblätter und die reflektierenden Türme militärische Radarsysteme stören könnten. Die Erkennung potenzieller feindlicher Bedrohungen werde dadurch erschwert. Ob diese Risiken neu sind oder lediglich neu gewichtet werden, bleibt offen.
Für die Branche ist entscheidend: Die US-Regierung erklärt genehmigte, geprüfte und im Bau befindliche Projekte nachträglich zum Sicherheitsproblem.

Der Markt straft Unsicherheit sofort ab
An den Börsen kam die Botschaft an. Die Aktie von Ørsted, dem weltweit größten Entwickler von Offshore-Windparks, verlor in Kopenhagen zeitweise gut zwei Prozent. Vestas rutschte um rund 1,3 Prozent ab. Beide Unternehmen sind stark vom US-Markt abhängig – nicht nur als Absatzregion, sondern als strategisches Wachstumsfeld.
Der Kursrutsch ist moderat, aber symbolisch. Investoren preisen nicht den Stopp einzelner Projekte ein, sondern ein neues politisches Risiko: regulatorische Rückabwicklung aus Sicherheitsgründen, auch nach Abschluss aller Prüfverfahren.
Nationale Sicherheit wird zum politischen Hebel
Der Vorwurf aus der Opposition lässt nicht lange auf sich warten. Chuck Schumer, demokratischer Fraktionschef im Senat, spricht von einem „irrationalen und ungerechtfertigten“ Vorgehen. Präsident Donald Trump blockiere gezielt Offshore-Windprojekte, so der Vorwurf. Die Folgen seien absehbar: steigende Energiepreise, gefährdete Arbeitsplätze, ein geschwächtes Stromnetz.
Auch Umweltorganisationen und Branchenverbände äußern scharfe Kritik. Die betroffenen Projekte hätten umfangreiche Sicherheits- und Genehmigungsverfahren durchlaufen – teils unter früheren Regierungen. Dass dieselben Vorhaben nun plötzlich als sicherheitsrelevant gelten, nährt den Verdacht politischer Motive.
Investitionen stehen plötzlich unter Vorbehalt
Für Projektentwickler ist der Schritt ein Albtraum. Offshore-Windparks sind kapitalintensiv, langfristig geplant und auf stabile regulatorische Rahmenbedingungen angewiesen. Jede Verzögerung treibt Kosten, jede Unsicherheit verteuert die Finanzierung. Noch schwerer wiegt der Präzedenzfall: Wenn selbst laufende Bauprojekte gestoppt werden können, verliert jede Genehmigung an Verlässlichkeit.

Mehrere Unternehmen prüfen bereits juristische Schritte. Es geht dabei nicht nur um Schadensersatz, sondern um Grundsatzfragen: Wie belastbar sind staatliche Zusagen in den USA, wenn sich politische Prioritäten ändern?
Europas Windindustrie gerät zwischen die Fronten
Für europäische Konzerne wie Ørsted und Vestas kommt der Stopp zur Unzeit. Der US-Markt galt bislang als Gegengewicht zu schwächelnden Auftragseingängen in Europa und Asien. Offshore-Wind vor der amerikanischen Ostküste war eines der wenigen Segmente mit politischem Rückenwind, klaren Ausbauzielen und industrieller Skalierung.
Nun zeigt sich, wie schnell dieser Rückenwind drehen kann. Nationale Sicherheit ist ein Argument, das kaum angreifbar ist – und deshalb besonders wirkungsvoll. Für Investoren bleibt unklar, ob es sich um eine temporäre Überprüfung oder den Auftakt zu einer grundsätzlichen Neubewertung der Offshore-Windenergie handelt.
Energiepolitik wird zur Machtfrage
Der Konflikt legt einen tieferen Bruch offen. Offshore-Wind ist längst nicht mehr nur Klimapolitik, sondern Teil industrieller, arbeitsmarktpolitischer und geopolitischer Strategien. Wer den Ausbau bremst, beeinflusst Strompreise, Lieferketten und technologische Führungspositionen.
Dass die US-Regierung diesen Hebel nun zieht, wird in Europa aufmerksam registriert. Nicht zuletzt, weil viele Regierungen auf genau jene Investitionen setzen, die jetzt politisch angreifbar erscheinen.
Die Aktienkurse von Ørsted und Vestas haben an diesem Morgen nur leicht nachgegeben. Der Vertrauensverlust, den der Schritt signalisiert, wiegt schwerer.



