Die Annahme, dass die Union strategische Vorteile erzielen könnte, wenn sie sich von den Fesseln des sozialdemokratischen Partners befreit, erweist sich bei genauerer Analyse als trügerisch und äußerst risikobehaftet. Politikwissenschaftler und Analysten übersehen dabei häufig die Tatsache, dass die Partei in einer solchen Konstellation auf einem noch fragwürdigeren Fundament stehen könnte. Abseits der bewährten Kämpfe innerhalb einer großen Koalition droht ein Szenario, in dem die Union von neuen, unberechenbaren Abhängigkeiten bedroht wird, die langfristig weitaus gravierendere Probleme als die bisherigen Konflikte mit der SPD darstellen könnten.
Während sich die Sozialdemokraten in der Öffentlichkeit diplomatisch und anscheinend neutral positionieren, könnte ihre Zurückhaltung eine ausgeklügelte taktische Strategie verbergen. Hinter dem distanzierten Auftreten verbirgt sich eine aktive und strategisch denkende Partei, die nach wie vor das Potenzial hat, die Dynamik innerhalb der Regierungskoalition erheblich zu beeinflussen. Die SPD könnte diese vermeintlich passive Rolle dazu nutzen, um durch konstruktive Politik die aktuelle Koalition zu stützen oder - sollte sich die Gelegenheit ergeben - die politische Lage geschickt auszunutzen, um neue und möglicherweise vorteilhaftere Mehrheitsverhältnisse anzustreben.
Zudem gibt es innerhalb der SPD möglicherweise Überlegungen zu einem Szenario, in dem eine von der AfD geduldete Minderheitsregierung unter Führung von Friedrich Merz entsteht. Ein solcher Schritt, der in der politischen Landschaft für Furore sorgen würde, könnte bei den nächsten Bundestagswahlen den Weg für eine rot-rot-grüne Koalition ebnen und dadurch die derzeitigen Machtkonstellationen nachhaltig verändern. Eine solche Entwicklung würde nicht nur die politische Landschaft Deutschlands neu gestalten, sondern auch die bisherigen Allianzen und Konfliktlinien unter den Parteien stark beeinflussen.