Angriff aus Washington – und es geht nicht um China
Als der deutsche Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstufte, war mit internationaler Reaktion gerechnet worden. Doch nicht damit, dass die schärfsten Töne ausgerechnet aus Washington kommen würden.
Binnen Stunden feuerten gleich drei Spitzenvertreter der US-Regierung gegen Berlin: Außenminister Marco Rubio sprach von „verdeckter Tyrannei“, Vizepräsident J.D. Vance von „Bürokraten, die die beliebteste Partei zerstören“, und Elon Musk verstieg sich zur Parole, nur die AfD könne Deutschland retten.
Es ist eine diplomatische Breitseite, wie man sie von einem NATO-Partner selten erlebt. Und sie trifft eine Bundesregierung, die noch nicht einmal im Amt ist.
Merz übernimmt – inmitten eines toxischen Transatlantikklimas
Friedrich Merz wird am Dienstag zum Kanzler gewählt. Was als Rückkehr zu außenpolitischer Berechenbarkeit gedacht war, entwickelt sich zum Start in ein politisches Minenfeld. Der neue Kanzler steht zur sogenannten Brandmauer gegenüber der AfD – und macht damit aus Sicht des Trump-Lagers alles falsch.
„Wenn ihr Angst vor euren Wählern habt, kann Amerika euch nicht helfen“, ätzte Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Der Satz steht sinnbildlich für den Wandel: Nicht mehr gemeinsame Werte, sondern ideologische Polarisierung bestimmen die transatlantische Debatte.
Der neue Ton: hart, persönlich, antideutsch
Was einst diplomatisch war, ist nun frontal. Die Kritik aus Washington richtet sich nicht mehr gegen politische Entscheidungen, sondern gegen demokratische Institutionen selbst. Der Inlandsgeheimdienst wird diffamiert, die Justiz verhöhnt, die Medien als „Teil des Establishments“ dargestellt.

Der außenpolitische Kurs der USA wirkt plötzlich innenpolitisch motiviert – und Deutschland steht im Fadenkreuz. Besonders problematisch: Mit Marco Rubio reiht sich nun ein einst als gemäßigt geltender Republikaner in die Attacken ein.
Als neuer Außenminister und Sicherheitskoordinator im Weißen Haus ist sein Wort gewichtiger denn je.
Rubios Kurswechsel – vom Russland-Falken zum AfD-Versteher
Rubio galt lange als Vertreter klassischer Außenpolitik: antiautoritär, NATO-treu, skeptisch gegenüber Moskau. Doch seit seinem Aufstieg in Trumps engsten Zirkel hat er einen scharfen Rechtsschwenk vollzogen.
Inzwischen verteidigt er öffentlich Trump, selbst wenn dieser den ukrainischen Präsidenten brüskiert – und kritisiert Berlin für den Umgang mit Rechtsextremen.
Dass ausgerechnet Rubio nun von einem „neuen Eisernen Vorhang“ spricht, der nicht mehr Moskau, sondern Berlin isolieren soll, ist mehr als eine mediale Provokation. Es ist ein diplomatisches Fanal – und ein Bruch mit 75 Jahren transatlantischer Zusammenarbeit.
Die neue Front gegen Berlin: Vance, Musk, Rubio
Im Weißen Haus hat sich ein informelles Dreieck formiert: Vizepräsident J.D. Vance, Außenminister Marco Rubio, Tech-Milliardär Elon Musk. Was sie eint, ist die Besessenheit vom vermeintlichen Niedergang der deutschen Demokratie. Die AfD sehen sie als Opfer eines autoritären Staates – die Bundesregierung als Feindbild.
Vance warnt vor „Zensur“ im Netz und beklagt „Strafverfolgung wegen gemeiner Tweets“. Musk nutzt seine Reichweite auf X (ehemals Twitter), um Narrative zu verstärken. Rubio verleiht dem Ganzen institutionelle Wucht.
Zusammen bilden sie eine Koalition, die Deutschland als Projektionsfläche für den Kulturkampf in den USA nutzt – auf Kosten der internationalen Ordnung.
Strategischer Preis: transatlantische Erosion
Die Angriffe sind mehr als Rhetorik. Sie untergraben systematisch das Vertrauen in die transatlantische Partnerschaft – wirtschaftlich, sicherheitspolitisch, kulturell. Wenn ein NATO-Staat die Legitimität der Justiz eines anderen offen infrage stellt, werden Absprachen in der Verteidigungspolitik zur Farce.
Bereits jetzt warnen Verteidigungsexperten, dass sich die USA unter Trump 2.0 aus europäischen Sicherheitsfragen zurückziehen könnten – insbesondere, wenn Deutschland nicht bereit ist, sich „politisch anzupassen“. Die Drohung: Entweder ihr akzeptiert die neue Realitätsdeutung – oder ihr steht bald allein da.
Merz zwischen Prinzipien und Realpolitik
Für Friedrich Merz wird die Lage zur Zerreißprobe. Er kann die Brandmauer nicht aufgeben, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren – und er kann sie nicht halten, ohne die Beziehung zu Washington zu gefährden. Schon die ersten USA-Reisen von ihm und Außenminister Johann Wadephul dürften zur Belastungsprobe werden.
Was einst auf gemeinsamen Werten fußte, muss nun mühsam neu verhandelt werden – mit einem Partner, der nicht zuhört, sondern belehrt.
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