Der nächste Baustein im Baukasten
Trade Republic will mehr sein als nur eine Trading-App. Nach dem Einstieg in die Private Markets im September folgt nun der nächste Schritt: festverzinsliche Produkte für Kleinanleger.
Gründer Christian Hecker präsentierte auf der jüngsten Keynote in Berlin zwei neue Angebote: ein „Fixed Interest“-Feature, das klassische Festgelder ersetzt, und den Zugang zu US-Dollar-Anleihen – investierbar ab einem Euro. Das Ziel: den Nutzern eine breitere, stabilere Vermögensstruktur bieten – und Trade Republic endgültig als Allfinanzplattform positionieren.
„Plug-and-Play“ für Zinsen
Das neue Festzinsprodukt erinnert an ein modernes Festgeld mit Wertpapierstruktur. Anleger wählen Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren, erhalten einen festen Ertrag – und müssen sich laut Hecker „um nichts kümmern“. Die Rendite basiert auf einem diversifizierten Anleiheportfolio, das Trade Republic verwaltet. Der Gründer beschreibt es als Produkt „mit vorhersehbarem Ertrag und nahezu keiner Volatilität“.
Doch der Teufel steckt im Detail: Festzins klingt simpel, doch im Hintergrund stehen Zinsänderungsrisiken, Emittentenrisiken und Marktkorrelationen. Der Berliner Broker betont die Sicherheit – Kritiker fragen, wie transparent die tatsächliche Zusammensetzung und Risikostruktur des Portfolios ist.
Dollar-Anleihen ab einem Euro – der neue Rendite-Joker?
Das zweite neue Segment: US-Dollar-Anleihen für jedermann. Bereits ab einem Euro können Anleger in amerikanische Staats- oder Unternehmensanleihen investieren. Die Gebühren sollen laut Anbieter „marktweit am niedrigsten“ sein. Hecker verweist auf die derzeit attraktiveren Renditen im Dollarraum, die über denen europäischer Titel liegen.

Doch auch hier gilt: Währungsrisiko inklusive. Sinkt der US-Dollar gegenüber dem Euro, kann ein Teil der Rendite schnell verpuffen. Für professionelle Anleger ist das tägliches Geschäft – für viele der zehn Millionen Trade-Republic-Kunden dürfte es Neuland sein.
Marketing mit Hochglanz und Glamour
Wie schon bei der Private-Markets-Offensive, setzt Trade Republic erneut auf Show statt Schlichtheit. Modeikone Bruce Darnell fungiert als Testimonial und soll in mehreren Online-Masterclasses durch die Welt der Zinsen führen. Begleitet wird das Ganze von einer Sonderaktion: Ein Prozent Bonuszins bis Jahresende – für alle, die früh einsteigen.
Das erinnert an die klassischen Lockangebote etablierter Banken – nur mit Tech-Charme und Influencer-Flair. Während die einen den kreativen Marketingansatz loben, sehen andere darin den Versuch, Ertragsschwächen mit Aufmerksamkeit zu übertönen.
Vom Broker zur Vollbank – ein riskanter Spagat
Seit Ende 2023 besitzt Trade Republic eine Vollbanklizenz – ein Meilenstein, aber auch eine Bürde. Denn mit der Lizenz steigen nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die regulatorischen Anforderungen. Neue Produkte bedeuten mehr Compliance, komplexere Risikoüberwachung und steigende Kosten.
Zudem sind die jüngsten Erweiterungen Teil eines strategischen Balanceakts: Der Neobroker muss wachsen, ohne die operative Stabilität zu gefährden. Gerade in Zeiten, in denen Kundensupport und Servicequalität wiederholt kritisiert werden, wirkt der Produktfokus fast wie eine Flucht nach vorn.
Kundenboom, aber wachsender Erwartungsdruck
Über zehn Millionen Nutzer und 150 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen – das Wachstum bleibt beeindruckend. Doch mit steigender Kundenzahl wächst auch der Erwartungsdruck: Technische Störungen, lange Reaktionszeiten und fehlende Ansprechpartner gehören zu den häufigsten Beschwerden in Anlegerforen.

Unter der aktuellen YouTube-Keynote sammeln sich Kommentare, die weniger über Anleihen sprechen als über Erreichbarkeit. „Zinsen schön und gut – aber wann erreiche ich endlich den Support?“ schreibt ein Nutzer stellvertretend für viele.
Zwischen Innovation und Überforderung
Strategisch betrachtet, ist die Ausweitung auf Festzinsprodukte folgerichtig. Die Nachfrage nach planbaren Renditen wächst, gerade nach Jahren extremer Volatilität. Trade Republic nutzt die Lücke, die klassische Banken durch träge Prozesse und unattraktive Zinsen gelassen haben. Doch der Berliner Anbieter muss beweisen, dass er nicht nur schnell neue Produkte launchen, sondern sie auch sauber managen kann.
Denn spätestens mit komplexeren Assetklassen wie Anleihen und Private Equity verschwimmt die Grenze zwischen Fintech und Bank – und damit auch die Toleranz der Aufsicht gegenüber Marketing und Fehlern.
Cleverer Schritt – aber kein Selbstläufer
Mit dem Schritt in den Zinsmarkt positioniert sich Trade Republic klug: als Plattform für die neue Generation von Sparern, die Rendite will, aber Risiko scheut. Doch jedes neue Produkt bringt Verantwortung – und die wächst schneller als der Gewinn.
Der Berliner Broker hat die Vision, das „Smartphone der Geldanlage“ zu werden. Doch bevor er die nächste Bühne betritt, sollte er das Mikrofon beim Kundensupport anstellen. Denn langfristiges Vertrauen entsteht nicht durch Keynotes, sondern durch Erreichbarkeit, Transparenz – und Substanz.
