Thyssenkrupp Marine Systems erlebt ein Jahr, das die Parameter der deutschen Rüstungsindustrie neu setzt. Der Marineschiffbauer, seit Oktober börsennotiert und ab Dezember im M-Dax vertreten, meldet einen Auftragsbestand von 18,2 Milliarden Euro – mehr als je zuvor. Vorstandschef Oliver Burkhard spricht von einer Branche, die sich „rasant“ verändert und in der TKMS eine Schlüsselfunktion übernehmen wolle.

Der U-Boot-Boom treibt Umsatz und Auftragseingang
Im Geschäftsjahr 2024/25 erzielte TKMS einen Umsatz von 2,2 Milliarden Euro – neun Prozent mehr als im Vorjahr. Die Hälfte stammt aus der U-Boot-Sparte, die für den Großteil des Wachstums verantwortlich ist. Der Bau von Überwasserschiffen dagegen verzeichnete einen Rückgang um zwölf Prozent auf 503 Millionen Euro.
Die Elektroniksparte Atlas Electronics steuerte 701 Millionen Euro bei, ein Plus von 19 Prozent. Unter dem Strich lag der Nettogewinn bei 108 Millionen Euro, rund 20 Millionen mehr als ein Jahr zuvor.
Was die Dynamik jedoch wirklich zeigt, ist der Auftragseingang: TKMS verbuchte 2024/25 neue Bestellungen über 8,8 Milliarden Euro – sechsmal so viel wie im Vorjahr. Ausschlaggebend waren die Nachbestellung von vier U-Booten im deutsch-norwegischen 212CD-Programm, der Auftrag für das Forschungsschiff Polarstern, die Modernisierung der sechs 212A-Boote der Bundesmarine sowie ein Exportdeal für zwei weitere U-Boote 218SG.
Die geopolitische Lage schafft ein Umfeld für weitere Milliardenprojekte
Die Verteidigungsausgaben Deutschlands sollen 2026 um ein Viertel auf 108 Milliarden Euro steigen. Für TKMS bedeutet das eine Pipeline potenzieller Großprojekte. Besonders im Blick steht die neue Fregattenklasse F127, ausgelegt für die Luftverteidigung. Nach der Rücknahme des F126-Auftrags von der niederländischen Damen-Werft hat der Bundestag zudem 7,8 Milliarden Euro für Alternativen freigegeben – ein Signal, das Burkhard offen interpretiert: TKMS könne „sehr schnell ein wirklich gutes Schiff liefern“.
Auch international rechnet das Unternehmen mit Chancen. Die bewährte MEKO-200-Klasse gilt als aussichtsreicher Kandidat, falls die geplanten F126-Fregatten endgültig scheitern.
Kapazitäten müssen wachsen, bevor der Boom zur Bremse wird
Um die gewaltige Auftragslast zu bewältigen, will TKMS rund 200 Millionen Euro investieren – primär in den Standort Wismar. Dort entsteht eine neue Druckkörpertaktstraße für den U-Boot-Bau, bislang nur in Kiel verfügbar. Burkhard erwartet zudem eine finanzielle Beteiligung des Bundes, damit Produktionslinien schneller hochfahren und bestellte Schiffe zeitgerecht geliefert werden können.

Strategisch setzt das Unternehmen auf jährliches Umsatzwachstum von etwa zehn Prozent sowie eine Ebit-Marge von über sieben Prozent. Der Wert lag zuletzt bei sechs Prozent – mit Luft nach oben, aber klarer Ausrichtung.
Die Konsolidierungsdebatte nimmt Fahrt auf
Burkhard sieht TKMS nicht nur als Profiteur steigender Verteidigungsbudgets, sondern als aktiven Gestalter der Branchenstruktur. Der mögliche Kauf der Werft German Naval Yards Kiel (GNYK) ist Teil dieser Überlegung. Man prüfe die Zahlen, betont er, eine Übernahme sei eine „Opportunität, aber kein Muss“. Der Satz markiert dennoch einen strategischen Anspruch: TKMS will Knotenpunkt einer deutschen Marineschiffbau-Architektur werden, die bisher aus zu vielen Einzelakteuren besteht.
Die Börsennotierung verschafft dem Konzern dafür zusätzliches Kapital und Sichtbarkeit. Der Aktienkurs reagierte positiv – ein Hinweis darauf, dass Investoren das Wachstumspotenzial im globalen Rüstungsmarkt höher einschätzen als die Risiken einer anspruchsvollen Skalierung.
Der Boom festigt eine neue industrielle Realität
TKMS steht im Zentrum einer Zeitenwende, in der U-Boote und Hochseefregatten wieder zu industriepolitischen Schwergewichten werden. Die Rekordaufträge sind Ausdruck geopolitischer Unsicherheiten – und einer Verteidigungspolitik, die Deutschlands maritime Fähigkeiten neu ordnet.
Für TKMS beginnt nun die Phase, in der Wachstum und Umbruch zusammenfallen: hohe Erwartungen, hoher Auftragseingang – und die Chance, sich als Leitunternehmen eines konsolidierten Marineschiffbaus zu etablieren.



