Deutschlands größter Stahlerzeuger, Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE), steht vor weitreichenden Entscheidungen. Am Freitag tritt der Aufsichtsrat unter Vorsitz des ehemaligen Vizekanzlers Sigmar Gabriel zusammen, um über ein umfassendes Restrukturierungsprogramm zu beraten. Der von der Geschäftsführung erarbeitete Businessplan enthält Pläne zur Reduzierung der Produktionskapazitäten in Duisburg von derzeit 11,5 auf 9,0 bis 9,5 Millionen Tonnen pro Jahr.
Dieser Schritt wird voraussichtlich auch einen Stellenabbau nach sich ziehen, jedoch versichert das Unternehmen, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Noch ungelöst sind die finanziellen Rahmenbedingungen für die geplante Verselbstständigung der Stahlsparte. In dieser arbeiten zurzeit rund 27.000 der 100.000 Mitarbeiter des Konzerns, davon alleine 13.000 in Duisburg. Bis Ende März 2026 gilt eine Beschäftigungsgarantie.
Konzernchef Miguel López nannte als Gründe für die Neuaufstellung neben geringer Nachfrage und hohen Energiekosten auch Überkapazitäten und Billigimporte aus Asien. Diese konjunkturabhängige Sparte befindet sich seit Jahren im Fokus des Unternehmens und der gesamte Stahlsektor steht vor einem tiefgreifenden Wandel hin zu klimaneutraler Stahlerzeugung.
Ein bedeutender Schritt auf diesem Weg ist der jüngste Einstieg des Energieunternehmens EP Corporate Group (EPCG) des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky. Mit einem Anteil von 20 Prozent an TKSE will EPCG weitere Anteile übernehmen, um mittelfristig ein Gemeinschaftsunternehmen mit je 50 Prozent Beteiligung zu gründen. Diese strategische Partnerschaft fokussiert sich vor allem auf Energielieferungen.
Wichtige Produktionskapazitäten von TKSE werden vom in Duisburg ansässigen Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) erbracht, an dem Thyssenkrupp zu 50 Prozent beteiligt ist. Weitere Anteile halten der Stahlkonzern Salzgitter (30 Prozent) und der französische Röhrenhersteller Vallourec (20 Prozent). Ein Verkauf von HKM steht im Raum, wobei bereits ein Kaufinteressent existiert. Bei HKM sind rund 3.000 Beschäftigte tätig.
Die geplanten Veränderungen haben in den vergangenen Monaten zu Unruhe in der Belegschaft geführt und die Gewerkschaft IG Metall zu mehrfachen Protestaktionen veranlasst. Die Forderungen umfassen die Einhaltung von Tarifverträgen, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, Standortgarantien über 2026 hinaus und die Fortsetzung der Transformationspläne hin zur klimaneutralen Stahlerzeugung.