Ein Tesla-Veteran spricht Klartext:
Wenn Lars Moravy, Vice President of Vehicle Engineering bei Tesla, öffentlich über „Wendepunkte“ spricht, spitzen nicht nur Investoren die Ohren. Auf der „X Takeover“-Veranstaltung im kalifornischen San Mateo gab der langjährige Tesla-Manager Einblick in die strategische Ausrichtung des Konzerns – und es klang weder nach Aufbruchstimmung noch nach Rückzug, sondern nach einem nervösen Balanceakt.
Zwischen Robotaxis, humanoiden Robotern und einem „kleineren Cybertruck“ entsteht bei Tesla derzeit ein Zukunftsbild, das eher an ein Science-Fiction-Labor erinnert als an einen etablierten Autohersteller mit 700.000 ausgelieferten Fahrzeugen pro Quartal.
Doch im Hintergrund brodelt es: Absatzrückgänge, politische Risiken und ein Förderstopp durch Trumps Steuerpolitik stellen das Geschäftsmodell der Kalifornier auf eine harte Probe.
Der neue Kurs: Roboter, Robotaxis und Hoffnung auf den Semi
„Wir befinden uns mitten in einer Phase massiver Veränderungen“, sagte Moravy, der seit über 15 Jahren zum inneren Kreis von Tesla gehört.
Dabei verwies er auf den Semi-Truck – Teslas elektrischen Lastwagen, der bereits in Nevada produziert wird –, den humanoiden Roboter „Optimus“ sowie das geplante autonome Modell „Cybercab“, ein Zweisitzer für den Einsatz als Robotaxi.
Was bei anderen Unternehmen nach Experimenten in der F&E-Abteilung klingen würde, verkauft Tesla als konkrete Geschäftsstrategie. Im Mittelpunkt: radikale Automatisierung und ein Paradigmenwechsel hin zur selbstfahrenden Mobilität.
„Wenn wir es nicht bauen, tut es ein anderer – und dann verlieren wir unsere Führungsrolle“, so Moravy.

Verkaufszahlen brechen ein – ausgerechnet in Kalifornien
Während auf der Bühne Zukunftsvisionen skizziert werden, sieht die Realität nüchterner aus. In Kalifornien – Teslas wichtigstem Einzelmarkt weltweit – sind die Auslieferungszahlen seit sieben Quartalen in Folge rückläufig. Ein Alarmsignal, das schwer zu ignorieren ist.
Auch global bleibt das Wachstum hinter den Erwartungen zurück. Gerade in Europa, wo Wettbewerb durch BYD, VW und Hyundai zunimmt, muss Tesla Marktanteile verteidigen.
Hinzu kommt der politische Druck aus Washington. Donald Trump plant im Rahmen seiner Steuerreform den Stopp der Kaufprämie für Elektrofahrzeuge in Höhe von 7.500 Dollar. Was einst Teslas Absatzrakete war, droht zur regulatorischen Vollbremsung zu werden. Moravy bestätigt: Ohne Subventionen sei ein signifikanter Absatzeinbruch in den USA wahrscheinlich.
Ein neues Modell – und die Hoffnung auf die Mittelklasse
Tesla reagiert – zumindest mit Ankündigungen. Noch 2025 soll ein neues, günstigeres Modell auf den Markt kommen. Der kompakte Stromer, dessen Design sich am Model Y orientieren soll, wird in der Produktion bereits getestet.
Die interne Hoffnung: ein Preispunkt unter 30.000 Dollar, um den Massenmarkt endlich zu knacken, bevor die Fördermittel auslaufen.
Der Zeitplan ist ambitioniert, zumal auch technologische Herausforderungen noch nicht vollständig gelöst sind – etwa beim Batteriemanagement und der automatisierten Produktion. Insider berichten von Engpässen bei Zulieferern und Qualitätsproblemen beim Innenraum.
Kleinerer Cybertruck – nur ein PR-Stunt oder konkretes Projekt?
Neben dem Mittelklassemodell sorgt eine weitere Ankündigung für Gesprächsstoff: Tesla prüft die Entwicklung eines kleineren Cybertrucks. Vor allem international – etwa in Europa oder Asien – könnte ein kompakteres Format besser ankommen als das martialische Urmodell.
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Auch als Warentransporter oder Robotaxi wäre die Mini-Variante denkbar. Konkrete Prototypen gibt es laut Moravy noch nicht – aber erste Skizzen im Designstudio.
Doch wie realistisch ist die Markteinführung in absehbarer Zeit? Experten mahnen zur Vorsicht: Der ursprüngliche Cybertruck wurde bereits 2019 angekündigt – die ersten Auslieferungen erfolgten erst Ende 2023, mit erheblichen Verzögerungen.
Roboter, Aktienkurse – und der Preis für Visionen
Während Tesla auf der Produktseite nach vorne prescht, brodelt es an der Börse. Analysten kritisieren die zunehmende Diskrepanz zwischen Vision und Umsatz. Der Aktienkurs schwankt stark, die Bewertung bleibt jedoch hoch – für manche zu hoch, um noch als rational erklärbar zu gelten.
Zudem stellt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Tragfähigkeit von Teslas Zukunftswette: Lässt sich ein Unternehmen dauerhaft auf Fantasie bewerten – oder muss es irgendwann solide Zahlen liefern?
Die große Tesla-Frage: Was, wenn der Traum platzt?
Tesla bleibt ein Unternehmen der Extreme: Hier wird nicht nur an Autos geschraubt, sondern an Zukunftsentwürfen gearbeitet. Doch die Vision braucht Treibstoff – und der wird knapp.
Regulatorische Änderungen, wachsende Konkurrenz, sinkende Margen und ein zunehmend polarisiertes Marktumfeld könnten die Wachstumsstory in eine Konsolidierung verwandeln.
Der nächste Kurs von Tesla entscheidet sich also nicht allein im Designstudio oder auf Konferenzen – sondern im Markt, in der Politik und im Portemonnaie der Konsumenten.
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