Der Rückversicherer Swiss Re meldet für die ersten neun Monate einen Gewinn von gut vier Milliarden US-Dollar – ein Anstieg um 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eine Zahl, die in Zürich selbst die optimistischen Erwartungen übertraf und gleichzeitig ein bemerkenswertes Spannungsfeld offenbart: Während der Gewinn durch die Decke ging, schrumpfte der Rückversicherungsumsatz im selben Zeitraum um fünf Prozent auf rund 32 Milliarden Dollar.
Ein starker Sommer ohne große Naturkatastrophen bescherte dem Konzern eine außergewöhnlich niedrige Schadenlast. Die Waldbrände in Kalifornien im Januar schlugen zwar teuer zu Buche, konnten aber durch die ungewöhnliche Ruhe im Sommer nahezu neutralisiert werden. CEO Andreas Berger spricht von einem „sehr guten Weg“, das Jahresziel von mehr als 4,4 Milliarden Dollar zu erreichen – ein Ziel, das noch vor wenigen Monaten ehrgeizig wirkte.
Ein stiller Sommer, der Milliarden wert war
Das Geschäft der Rückversicherer lebt von Wahrscheinlichkeiten. Und manchmal sind es genau die Ausnahmen, die die Bilanzen prägen. 2025 fiel der Sommer in Nordamerika, Europa und Asien deutlich milder aus als erwartet: keine Wirbelsturmkaskaden, keine Überschwemmungen im Milliardenbereich, keine Hitzewellen mit landesweiten Ernteausfällen.
Für Swiss Re und die gesamte Branche bedeutete das ein unerwartet geringes Katastrophenbudget – ein Treiber, der die Gewinnzahlen in ungewohntem Ausmaß nach oben zog. Während Vorjahre von hohen Schäden dominiert waren, bot 2025 ein Gegenbild, das die Finanzkraft der Konzerne sichtbar stärkte.

Die Konkurrenz liefert ebenfalls – und hebt Prognosen an
Swiss Re steht mit diesem Ergebnis nicht allein da. Munich Re und Hannover Rück meldeten zuletzt ebenfalls starke Gewinne aus dem dritten Quartal – mit Folgen: Beide Häuser hoben in der vergangenen Woche ihre Jahresziele an. Die Hannover Rück erhöht sogar ihr Gewinnziel für 2025.
Auch der Erstversicherer Allianz trat am Donnerstagabend mit einer angehobenen Prognose auf, nachdem das dritte Quartal besser verlief als erwartet. Die Signalwirkung ist klar: Die Versicherungsbranche erlebt ein Jahr der positiven Überraschungen – trotz geopolitischer Unsicherheiten, hoher Inflation und steigender Schadenssummen in anderen Bereichen.
Der unerwartete Widerspruch: Starke Gewinne, aber schrumpfende Umsätze
Trotz der beeindruckenden Gewinnsprünge meldet Swiss Re, wie viele Konkurrenten, rückläufige Einnahmen. Der Rückversicherungsumsatz sank um fünf Prozent auf rund 32 Milliarden US-Dollar. Das klingt paradox, ist aber in der Branche kein unübliches Bild:
- Mehr Disziplin bei Verträgen: Rückversicherer zeichnen zunehmend selektivere Risiken.
- Höhere Preise: Weniger Geschäft kann profitabler sein, wenn Margen steigen.
- De-Risking: Einige Märkte gelten als schwer kalkulierbar – viele Anbieter reduzieren dort bewusst das Engagement.
In Summe zeigt sich, dass die Branche nicht nur von glücklichen Wetterlagen getragen wird, sondern auch von einer strukturell konservativeren Ausrichtung, die auf Ertragsstärke statt auf Volumen zielt.
Stabilität als Geschäftsmodell
Dass Swiss Re trotz rückläufiger Umsätze Rekordgewinne erzielt, verdeutlicht ein strukturelles Thema, das in den kommenden Jahren wichtiger wird: Die Fähigkeit, Risiken nicht nur zu versichern, sondern präzise zu managen.
Die Branche steht vor einer neuen Phase, geprägt durch:
- wachsende Klimaunsicherheiten,
- steigende Kosten der Primärversicherer,
- regulatorische Anforderungen an Kapitalpuffer,
- und eine zunehmend datenbasierte Risikomodellierung.
Rückversicherer, die wie Swiss Re konservativ bilanzieren, Risiken hochpreisen und gleichzeitig ihre Kapitalbasis stärken, gewinnen in diesem Umfeld an Bedeutung.
Ein starkes Jahr – aber kein Selbstläufer
Der überraschend ruhige Sommer 2025 wird Swiss Re nicht jedes Jahr geschenkt. Die Branche kennt den Zyklus zwischen Good-Luck-Years und High-Loss-Years nur zu gut. Doch das aktuelle Zahlenwerk zeigt: Die großen Häuser haben ihre Lehren aus den Schadensrekorden der vergangenen Jahre gezogen. Sie agieren selektiver, preisen Risiken aggressiver ein und halten höhere Kapitalpolster vor.
Swiss Re liefert damit ein Beispiel dafür, wie Rückversicherung funktioniert, wenn Modelle, Risikoarchitektur und externe Bedingungen in einem seltenen Moment perfekt zusammenfallen.


