Süss Microtec verliert keine Zeit mit höflichen Anläufen. Der Spezialmaschinenbauer für die Chipindustrie legt zum Kapitalmarkttag ein Zahlenwerk vor, das selbst für eine Branche voller Wachstumsversprechen ungewöhnlich offensiv ausfällt. Bis 2030 soll der Umsatz auf 750 bis 900 Millionen Euro steigen. Ein Sprung, der die aktuelle Größenordnung fast sprengt und das Unternehmen in eine völlig neue Liga katapultieren würde.
Dass die Garchinger damit nicht nur eine Vision, sondern ein klares Versprechen abgeben, ist intern gewollt. Der Vorstand strebt nicht weniger an als den Umbau hin zu einem global relevanten Ausrüster – in einem Markt, der seit Jahren aus allen Nähten platzt und in den kommenden fünf Jahren weitere Kapazitätsschübe erwartet.

Der Plan: Erst wachsen, dann ernten
Der erste Meilenstein ist klar gesetzt: 2025 sollen 470 bis 510 Millionen Euro Umsatz erreicht werden. Süss-Chef Burkhardt Frick spricht von „großen Ambitionen“, aber auch von einem Rückenwind, der stärker sei als alles, was die Branche seit einem Jahrzehnt erlebt habe. Die weltweite Nachfrage nach Halbleitertechnik ist ungebrochen – getrieben von Künstlicher Intelligenz, Elektromobilität und geopolitischen Sicherheitsprogrammen in den USA und Europa.
Die Botschaft des Managements ist eindeutig: Der Boom wird nicht abebben, und Süss Microtec will nicht nur mitlaufen, sondern sich ein größeres Stück sichern.
Margin-Offensive: Frick und Ballwießer drehen an den großen Stellschrauben
Ambitioniert ist der Wachstumsplan, entscheidend aber ist die Margenstrategie. Süss Microtec will durch eine Mischung aus Skaleneffekten, besserer Produktmix-Strategie und höheren Preisen einen kräftigen Ergebnisschub erzielen. Die Zahlen sprechen für sich:
- Bruttomarge 2030: 43–45 % (heute: 35–37 %)
- EBIT-Marge 2030: 20–22 % (2025: geplant 11–13 %)
Finanzchefin Cornelia Ballwießer bringt es nüchtern auf den Punkt: „Der größte Hebel ist die massive Verbesserung des Bruttoergebnisses.“ Dahinter steckt eine Strategie, die sowohl Kostendisziplin als auch eine deutliche Höherpositionierung im Produktportfolio verlangt – und dem Unternehmen viel abverlangt.
Tatsächlich soll der relative Anteil der Vertriebs- und Verwaltungskosten am Umsatz sinken. Ein klarer Hinweis darauf, dass Süss Microtec stärker automatisieren, Prozesse straffen und die Wertschöpfungsschritte vereinheitlichen will.

F&E als zentrale Wette – und als Risiko
Ein Punkt, an dem die Garchinger nicht sparen wollen: Forschung und Entwicklung.
Ab 2030 sollen elf Prozent des Umsatzes in neue Technologien fließen – gegenüber neun Prozent heute. Das klingt moderat, hat aber Gewicht: In einem Markt, in dem Innovationszyklen kürzer werden und die Konkurrenz aus Asien in manchen Segmenten aggressiv nach vorne drängt, entscheidet technologischer Vorsprung über die Marktanteile der nächsten Dekade.
Süss setzt darauf, dass seine Position in Prozess- und Belichtungstechnologie weiter an strategischer Bedeutung gewinnt – gerade für Chipfertiger in Europa, die durch den EU Chips Act Milliarden investieren.
Doch die Strategie birgt auch Risiken: F&E-Ausgaben wirken erst zeitverzögert, und nicht jedes Projekt landet in der Serienproduktion. Anleger werden genau beobachten, wie effizient die Mittel eingesetzt werden.
Die Halbleiterindustrie bleibt Königsmacher – vorerst
Fricks Zuversicht speist sich aus Markttrends, die seit Jahren intakt sind. Chipknappheit, nationaler Protektionismus, Subventionen über alle Kontinente hinweg: Die Branche wird global politisch aufgeladen wie kaum eine andere. Für Maschinenbauer schafft das Sichtbarkeit und Planbarkeit – allerdings auch Abhängigkeiten.
Die Frage, die sich durch alle Gespräche am Kapitalmarkttag zog: Hält der Superzyklus bis 2030?
Die Antwort der Branche lautet: Ja, solange KI, Cloud-Rechenzentren und autonom fahrende Fahrzeuge weiter Milliarden verschlingen.
Süss Microtec baut darauf – und nimmt bewusst in Kauf, dass ein zyklischer Einbruch jederzeit möglich bleibt.
Ein ambitionierter Fahrplan ohne Netz und doppelten Boden
Am Ende steht ein Plan, der klarer kaum sein könnte: Hohe Ziele, hohe Investitionen, hohe Risiken. Süss Microtec will die Chance nutzen, im globalen Halbleitermarkt nicht nur mitzuspielen, sondern mitzudefinieren. Der Weg dahin wird steinig – aber nicht unrealistisch.
Die Garchinger formulieren keine Visionen, sondern Ansprüche. Und sie zwingen ihre Investoren damit zu einer Frage, die über den Aktienkurs hinausgeht: Wie viel Halbleiterzukunft traut Europa sich eigentlich selbst zu?



