Starke Gegenwart, wackelige Zukunft
Eigentlich könnte Amazon zufrieden sein: Der Gewinn je Aktie lag bei 1,59 US-Dollar – Analysten hatten mit 1,37 gerechnet. Auch der Umsatz legte zu und knackte mit 155,7 Milliarden US-Dollar die Prognosen.
Doch an der Börse zählen nicht nur Ist-Zahlen, sondern vor allem der Blick nach vorn. Und der fällt bei Amazon aktuell weniger überzeugend aus.
Der Markt reagierte prompt. Die Aktie verlor im frühen NASDAQ-Handel leicht, obwohl das Unternehmen gegenüber dem Vorjahr deutlich zulegen konnte. Der Grund: Die Prognose für das laufende Quartal bleibt hinter den Erwartungen zurück – und Trump macht das Geschäft unberechenbar.
Trumps Zollpolitik trifft auch die Großen
Amazon-CEO Andy Jassy warnte in der Analystenkonferenz vor möglichen Folgen der neuen US-Zollpolitik. Donald Trumps jüngste Ankündigungen könnten nicht nur Preise erhöhen, sondern ganze Lieferketten erneut ins Wanken bringen.
Bereits jetzt beobachte man vermehrt vorgezogene Käufe – ein Verhalten, das in der Corona-Zeit zu massiven Verzögerungen geführt hatte.
Dieses Mal sei die Lage ähnlich heikel. Die Sorge: Kunden bunkern, Händler geraten unter Druck, das Just-in-time-System kollabiert – erneut. In der Folge könnten Regale leer bleiben und Umsätze wegbrechen. Gerade kleinere Verkäufer, die Amazons Logistikdienstleistungen nutzen, könnten empfindlich getroffen werden.
Cloud-Geschäft schwächelt – ausgerechnet beim Hoffnungsträger
Besonders sensibel reagierten Investoren auf die Entwicklung bei AWS, Amazons Cloud-Sparte. Die Umsätze stiegen zwar um 17 % – was angesichts des generativen KI-Booms grundsätzlich positiv klingt. Doch der Markt hatte mehr erwartet: 17,6 % waren die Benchmark.
AWS gilt als margenstarkes Zukunftsmodell des Konzerns – doch das Momentum scheint sich etwas abzuschwächen. In einem Umfeld, in dem Microsoft mit Azure zunehmend Marktanteile gewinnt, wird es für Amazon schwieriger, die Investoren mit reinem Wachstum zu begeistern.
Analysten enttäuscht von der Prognose – Amazon bremst Erwartungen
Amazon rechnet für das laufende Quartal mit einem operativen Ergebnis zwischen 13 und 17,5 Milliarden US-Dollar – ein weiter Korridor, der deutlich unter dem liegt, was Analysten erwartet hatten (17,6 Milliarden Dollar).
Konzernfinanzchef Brian Olsavsky gab sich betont nüchtern. Man tue alles, um Preise für Endkunden niedrig zu halten – „auf eine Weise, die wirtschaftlich Sinn ergibt“. Was wie ein Bekenntnis zur Konsumentenfreundlichkeit klingt, ist in Wirklichkeit ein Drahtseilakt: Zu hohe Preise schrecken Kunden ab, zu niedrige gefährden die Marge.
Hamsterkäufe und Handelsrisiken – eine ungesunde Mischung
Amazon steht erneut vor einer strukturellen Herausforderung: Wenn Kunden aus Angst vor Zöllen im Voraus kaufen, fehlen die Umsätze später. Wenn Händler zögern zu importieren, entstehen Lücken im Sortiment. Und wenn sich Chinas Exporte weiter abschwächen, wird auch Amazons Rolle als globaler Marktplatz auf eine harte Probe gestellt.
Hinzu kommt die Unsicherheit der US-Währungspolitik und die Möglichkeit einer konjunkturellen Abkühlung. Jassy versucht zu beruhigen – betont, dass es bislang keine Anzeichen für eine Nachfrageschwäche gebe. Doch die Börse glaubt ihm nur teilweise.
Investoren erwarten mehr – auch bei Top-Ergebnissen
Dass ein Gewinn von 17,13 Milliarden Dollar nicht reicht, um die Kurse zu beflügeln, zeigt, wie hoch die Latte inzwischen liegt. Amazon liefert – aber das Vertrauen in die weitere Wachstumsstory ist angekratzt.
Die große Frage lautet: Kann Amazon trotz globaler Handelsunsicherheiten, schwankender Währungen und aggressiver Konkurrenz aus dem Cloud- und E-Commerce-Bereich weiterhin zuverlässig wachsen? Die Antwort entscheidet nicht nur über den Aktienkurs, sondern über die strategische Zukunft des gesamten Konzerns.
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