Ein System am Rand des Kontrollverlusts
Die spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) ist schwer angeschlagen. Ein interner Skandal jagt den nächsten, und die Vorwürfe sind teils so grotesk, dass sie kaum noch zu überbieten sind: Bestechung, Wahlmanipulation, missbräuchlich verwendete Steuergelder – und das alles mitten im Herzen der Regierung.
Mittlerweile laufen Ermittlungen gegen hochrangige Parteimitglieder, gegen den Ehemann der Ministerpräsidentin – und gegen ihre Partei selbst.
Was zunächst wie ein Einzelfall wirkte, entpuppt sich inzwischen als Strukturproblem.
600.000 Euro Provisionen – und ein zerschlagener Machtzirkel
Im Mittelpunkt: Santos Cerdán, die ehemalige Nummer drei der PSOE und enger Vertrauter von Premierminister Pedro Sánchez. Cerdán soll laut Polizeiakte (UCO) über Jahre hinweg illegale Provisionen in Höhe von über 620.000 Euro kassiert haben – vermittelt über den ehemaligen Verkehrsminister José Luis Ábalos.
Der Verdacht: Korruption im Umfeld öffentlicher Aufträge. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Auch Wahlbetrug steht im Raum. Ermittler vermuten, dass Cerdán die erste parteiinterne Wahl, bei der Sánchez als Kandidat antrat, mit gefälschten Stimmen manipulierte. Parallel tauchten Tonaufnahmen auf, in denen sich Ábalos und sein Umfeld über die Wahl von Prostituierten unterhalten – offenbar auf Staatskosten.

Sánchez unter Druck – Rücktrittsforderungen aus allen Lagern
Premierminister Sánchez reagierte zunächst zögerlich, forderte dann aber doch Cerdáns Rücktritt als Parteiorganisator – allerdings ohne ihn aus dem Parlament zu entfernen. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo (PP) sprach von einem „Staat in der Krise“ und forderte sofortige Neuwahlen. Für ihn ist klar: Diese Regierung könne nicht länger international für ein demokratisches Spanien stehen.
Auch Vox-Chef Santiago Abascal legte nach – und griff Sánchez frontal an: „Diese Regierung ist ein mafiöses Netzwerk. Die Bürger zahlen Rekordsteuern, während sich ein System aus Politik, Familie und Partei am Staat bereichert.“
Ein Minister, eine Geliebte – und 68 Millionen Dollar in Gold
Die Fälle Ábalos und Cerdán sind nicht die einzigen. Bereits 2020 war die PSOE-Regierung in einen diplomatischen Skandal verwickelt, als die damalige venezolanische Vizepräsidentin Delcy Rodríguez trotz EU-Einreiseverbot in Madrid landete – und ausgerechnet vom damaligen Verkehrsminister Ábalos empfangen wurde.
In den Ermittlungen kam heraus: Der spanische Geschäftsmann Victor Aldama, ein Strippenzieher mit besten Kontakten, hatte die Anreise organisiert – und wurde wenig später in einem Fall von 104 Goldbarren im Wert von 68 Millionen Dollar verdächtigt. Getarnt als „medizinische Hilfsgüter“.
Koldo-Gate, Maskenverträge und Millionendeals
Im Februar 2024 erschütterte dann der Koldo-Skandal das politische Madrid. Koldo García, ein ehemaliger Ábalos-Berater, soll während der Pandemie Maskenverträge manipuliert und Provisionen in Millionenhöhe eingestrichen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Korruption.
Die Regierung spricht von „Einzelfällen“ – doch die Zahl dieser Einzelfälle steigt mit jedem Monat.
Auch die Familie des Premierministers gerät ins Visier
Seit Mitte 2024 steht sogar die Ehefrau von Pedro Sánchez im Fokus. Die Justiz prüft, ob Begoña Gómez ihre Kontakte genutzt hat, um ausgewählte Unternehmen in Förderverfahren zu bevorzugen.
Pikant: Bei einem Treffen mit dem Geschäftsmann Juan Carlos Barrabés, der nun ebenfalls unter Korruptionsverdacht steht, soll Sánchez selbst anwesend gewesen sein. Barrabés half Gómez zuvor, einen Lehrstuhl für „sozialen Wandel“ an der Universität Complutense in Madrid zu etablieren.
Kritik am Justizsystem – eine Republik am Wendepunkt
Doch auch die Justiz steht unter Druck. Vox-Abgeordnete werfen den etablierten Parteien vor, Einfluss auf Richtergremien zu nehmen – und kritisieren vor allem das umstrittene Amnestiegesetz, das kürzlich vom Verfassungsgericht bestätigt wurde.
Es begünstigt katalanische Separatisten und war Bedingung für Sánchez’ Wiederwahl 2023. Der Vorwurf: Die Richter seien parteinah – und der Rechtsstaat werde gezielt manipuliert.
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