Eigentümer steigt aus – Gläubiger übernehmen das Kommando
Als das Sanierungsteam von Hans-Joachim Ziems im Frühjahr 2024 bei OQ Chemicals eintraf, war die Lage längst eskaliert. Der staatliche Eigentümer aus Oman hatte seine Finanzierungszusage kurzfristig zurückgezogen.
Eine Milliardenfinanzierung platzte, das Vertrauen der Geldgeber war erschüttert. Der Schuldenberg: über eine Milliarde Euro. Die Refinanzierung? Akut gefährdet.
Mitten in dieser Gemengelage übernahm Ziems als Chief Restructuring Officer das Ruder – eine Rolle, die er in zahlreichen Großsanierungen bereits gespielt hatte. Eigentümer und Gläubiger verfolgten nun eigene Interessen.
Die Omani zögerten, weitere Mittel bereitzustellen, während sich internationale Kreditgeber – darunter angelsächsische Hedgefonds – zunehmend in Position brachten.
Die Stunde der Beraterindustrie
Kaum eine Großsanierung kommt heute ohne ein ganzes Heer spezialisierter Kanzleien, Finanzberater und Investmentbanken aus. Auch bei OQ Chemicals wurden die Verhandlungen schnell von einer Vielzahl externer Akteure dominiert – jeder mit eigener Agenda, eigenem Mandat und eigener Kostenstruktur.
Allein für die Zwischenfinanzierung zur Begleichung der Beratungskosten wurden rund 75 Millionen Euro an Überbrückungskrediten aufgenommen. Insgesamt standen am Ende der Restrukturierung Beraterhonorare in Höhe von schätzungsweise 80 Millionen Euro im Raum.

Ziems selbst spricht von „sehr hohen Beträgen“ – auch wenn er keine exakten Summen bestätigt. Einzelne US-Kanzleien hätten Stundensätze von bis zu 2500 Dollar pro Partner abgerechnet. „Da schütteln sie nur noch den Kopf“, sagt der Sanierungsexperte rückblickend.
Ein System, das sich selbst erhält
Solche Summen sind in internationalen Restrukturierungen längst keine Ausnahme mehr. Je komplexer die Eigentümer- und Gläubigerstruktur, desto größer der Beratungsbedarf – und desto höher die Kosten.
Gläubiger setzen zunehmend durch, dass Unternehmen in der Krise nicht nur eigene Berater engagieren, sondern zusätzlich auch die Honorare der kreditgebenden Banken, Fonds und Hedgefonds tragen.
Bei größeren Sanierungen arbeiten deshalb regelmäßig mehrere internationale Kanzleien, Wirtschaftsprüfer und Investmentberater parallel an derselben Transaktion – jeder für seinen jeweiligen Auftraggeber.
Für die betroffenen Unternehmen bedeutet das zusätzliche Belastung in ohnehin angespannter Lage.
„Wie ein Unternehmen solche Kosten überhaupt noch stemmen soll, ist eine berechtigte Frage“, kommentiert Ziems.
Investorenpoker hinter den Kulissen
Parallel zu den laufenden Sanierungsverhandlungen kam zunehmend Bewegung in die Gläubigerstruktur. Ein Finanzinvestor begann im Hintergrund, Kreditpakete gezielt aufzukaufen. Stück für Stück verschob sich so die Machtbalance unter den Finanzierern.
Am Ende übernahm der US-Finanzinvestor Strategic Value Partners (SVP) gemeinsam mit dem kleineren Partner Blantyre Capital die Kontrolle. Durch den Kauf von Kreditpaketen mehrerer Banken – darunter LBBW, Unicredit, HSBC und J.P. Morgan – sicherten sich die Investoren eine faktische Sperrminorität.
Im Frühjahr 2025 wandelten sie schließlich rund 240 Millionen Euro an Forderungen in Eigenkapital um und übernahmen die Mehrheit an OQ Chemicals. Die restlichen Kredite bleiben im Bestand anderer Großanleger wie Invesco, PGIM, BlackRock und CVC.
Das könnte Sie auch interessieren:
