Vom Börsen-Tabu zum Publikumsliebling
Noch vor wenigen Jahren galt der Sektor als heikel. Rüstungswerte waren politisch sensibel, moralisch umstritten und für viele Fonds tabu. Dann kippte die Stimmung.
Mit der Aussicht auf einen schrittweisen Rückzug der USA aus der europäischen Verteidigungspolitik entdeckten Investoren Rheinmetall, Hensoldt oder Renk neu – und trieben die Kurse auf Rekordstände. Privatanleger, die noch nie zuvor ein Verteidigungsunternehmen gekauft hatten, stiegen massenhaft ein.
Erste Bremsspuren im Kursverlauf
Seit Anfang August ist der Schwung raus. Rheinmetall verlor zu Wochenbeginn vier Prozent, Renk gab 2,5 Prozent nach, Hensoldt knapp ein Prozent. Auslöser waren verschobene Bundeswehr-Aufträge und damit schwächere Auftragseingänge als erhofft. An den Märkten löste das prompt Gewinnmitnahmen aus.
Friedensgerüchte als Stimmungskiller
Hinzu kam ein politischer Faktor: Die Ankündigung eines Treffens zwischen Donald Trump und Wladimir Putin, bei dem eine Waffenruhe in der Ukraine Thema sein soll.
Allein die Möglichkeit eines Friedensfahrplans reichte, um die Kursfantasie zu bremsen. Für viele Anleger steht fest – weniger geopolitische Spannung könnte auch weniger kurzfristige Bestellungen bedeuten.
Hohe Kurse, hohe Fallhöhe
Das größere Problem sitzt tiefer: Die Bewertungen sind auf ein Niveau geklettert, das selbst Tech-Giganten wie Nvidia oder Amazon kennt. Rheinmetall notiert bei einem KGV von rund 90, Renk bei über 100.
„Das sind Vorschusslorbeeren, die erst einmal verdient werden müssen“, sagt Vermögensverwalter Nicolas Pilz. Anders als Softwarefirmen müssen Rüstungsproduzenten erst teure Fertigungskapazitäten aufbauen, bevor Aufträge in Gewinne umschlagen.

ETF-Hype mit Klumpenrisiko
Auch die jungen Rüstungs-ETFs zeigen Ermüdungserscheinungen. Der WisdomTree Europe Defence ETF legte seit März um elf Prozent zu, stagniert aber seit Wochen. Das Problem: Mit über 14 Prozent Indexgewicht hängt er stark an Rheinmetall. Fällt der Branchenprimus, leidet der gesamte Fonds.
Ein Sektor im Wartezimmer
Der Bloomberg European Defence Index, Branchenmaßstab für europäische Rüstungswerte, ist seit seinem Hoch im Juni um knapp vier Prozent gefallen.
Für sich genommen kein Drama – aber ein Signal, dass der ungebremste Aufwärtstrend der letzten Monate nicht mehr selbstverständlich ist. Fondsmanager Will McIntosh-Whyte formuliert es nüchtern: „Die Märkte hatten auf mehr und schneller gehofft.“
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