Der Rückzug eines Visionärs
Sam Altman ist vieles – Missionar, Visionär, Machttaktiker. Doch diesmal war er vor allem eines: unter Zugzwang. Am Montagabend verkündete der OpenAI-CEO eine Kehrtwende, die nicht nur strukturelle, sondern auch symbolische Wucht entfaltet.
Die geplante Umwandlung von OpenAI in eine rein gewinnorientierte Kapitalgesellschaft ist vom Tisch. Stattdessen bleibt die Kontrolle bei der ursprünglichen Non-Profit-Organisation – jenem moralischen Kern, auf dem das KI-Unternehmen 2015 gegründet wurde.
Ein Schritt, der öffentlich als Einsicht verkauft wird – und intern als Kapitulation gelesen wird.
Vom KI-Messias zum Getriebenen
Die Geschichte von OpenAI ist die Geschichte eines ambitionierten Versprechens: künstliche Intelligenz nicht zu kommerzialisieren, sondern zu zähmen – im Dienst der Menschheit.
Dass sich Altman 2019 dennoch für ein Hybridmodell entschied – mit einer gewinnorientierten Tochter unter Non-Profit-Dach –, war aus Finanzierungssicht nachvollziehbar. Microsoft, Khosla Ventures, zuletzt SoftBank: Sie alle brachten Milliarden, aber erwarteten Struktur.

Doch als Altman Ende 2024 signalisierte, OpenAI vollständig in eine For-Profit-Organisation zu überführen, wuchs der Widerstand – aus der Belegschaft, aus der Öffentlichkeit, aus dem politischen Raum. Und von Elon Musk, der mittlerweile nicht nur juristisch, sondern auch strategisch gegen Altman kämpft.
Altman verspricht, was rechtlich kaum haltbar war
Noch im Rahmen der Rekord-Finanzierungsrunde über 40 Milliarden Dollar – der größten in der Geschichte der Start-up-Szene – hatte Altman zugesichert, die For-Profit-Transformation bis Ende 2025 durchzuziehen.
Kritiker warnten: Das wäre eine strukturelle Enteignung der ursprünglichen Mission – und möglicherweise ein juristischer Verstoß gegen die gemeinnützigen Grundlagen.
Nun die Kehrtwende: Statt vollständiger Umwandlung wird die operative Tochter in eine sogenannte Public Benefit Corporation (PBC) überführt – eine Unternehmensform, die soziale Ziele und wirtschaftliche Interessen verbinden soll. Künftig teilen sich die gemeinnützige Mutterorganisation, Investoren und Mitarbeiter Anteile an dieser PBC. Wie genau, ist offen.
Zu viel Moral? Oder zu wenig Rechtssicherheit?
Dass Altman den Rückzieher nicht aus Überzeugung vollzieht, sondern aus Notwendigkeit, ist zwischen den Zeilen deutlich hörbar.
In Gesprächen mit den Generalstaatsanwälten Kaliforniens und Delawares – dort, wo OpenAI registriert ist – scheint man ihm signalisiert zu haben: Eine vollständige Entkernung der Non-Profit-Struktur wäre rechtlich riskant und angreifbar.
Altman mag sich noch so sehr auf „die Mission“ berufen – die politische Realität hat ihn eingeholt. Und mit ihr eine Erkenntnis: Auch in der Welt künstlicher Intelligenz gibt es Governance.
SoftBank könnte nun 20 Milliarden Dollar zurückziehen
Der Schritt ist nicht ohne Folgen. In der letzten Finanzierungsrunde war die Auszahlung eines Teils der 40 Milliarden Dollar explizit an die For-Profit-Umwandlung gekoppelt.
Bleibt es bei der PBC-Struktur, könnten bis zu 20 Milliarden Dollar auf Eis gelegt werden – ein massiver Rückschlag für OpenAI, das laut Altman „vielleicht Billionen“ braucht, um seine Modelle weiter zu trainieren.
Noch ist unklar, wie SoftBank und andere Investoren reagieren. Klar ist aber: Die finanzielle Planung von OpenAI steht unter Druck. Und die nächsten Finanzierungsrunden werden sich nicht mehr nur auf KI-Rhetorik verlassen können.
Was bedeutet das für den Machtkampf mit Musk?
Elon Musk – Mitgründer, Aussteiger, Kläger – hatte Altman zuletzt öffentlich vorgeworfen, OpenAI zu einer kommerziellen Blackbox umgebaut zu haben. Mit der Rückbesinnung auf das Non-Profit-Modell ist sein größter Kritikpunkt nun formal entkräftet.
Doch die Klagen laufen weiter – und mit xAI hat Musk längst ein eigenes Gegengewicht geschaffen.
Im Kern geht es nicht nur um OpenAI, sondern um die Deutungshoheit über die Zukunft der künstlichen Intelligenz. Und die entscheidet sich nicht in Gerichtssälen, sondern in Governance-Strukturen und Kapitalflüssen.
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