26. Juli, 2025

Quartalszahlen

Reckitt überrascht die Börse – und knackt Rekordmarke

Starkes Wachstum in Schwellenländern, eine angehobene Prognose und ein Rückkaufprogramm über eine Milliarde Pfund: Die Aktie von Reckitt Benckiser legt den größten Kurssprung seit 24 Jahren hin – trotz schwächelnder Märkte in Europa und Nordamerika.

Reckitt überrascht die Börse – und knackt Rekordmarke
Starke Impulse aus Schwellenländern stützen das Zahlenwerk – doch das Wachstum in Industriemärkten bleibt enttäuschend schwach.

Unerwarteter Rückenwind aus dem Süden

Es war ein Befreiungsschlag, den kaum jemand auf dem Schirm hatte: Nach Monaten der Zurückhaltung überraschte Reckitt Benckiser mit Zahlen, die den Markt positiv aufhorchen ließen.

Investors
Our journey to sustainable growth is well on track, and now we’re seeing the results: a stronger, more dynamic business, with a renewed sense of purpose.

Besonders bemerkenswert: Der Anstieg kam nicht aus den Kernmärkten, sondern aus Regionen, die bei vielen Konzernen derzeit nur unter ferner liefen laufen. Lateinamerika, Indien, Südostasien – dort, wo Konsumgüterhersteller in den letzten Jahren mit Wechselkursen, Inflation und politischer Unsicherheit kämpften, legte Reckitt kräftig zu.

Mit einem flächenbereinigten Umsatzplus von 1,9 Prozent im zweiten Quartal übertraf das Unternehmen nicht nur die eigene Zielsetzung, sondern auch die Erwartungen der Analysten.

Quelle: Eulerpool

Der Konsens lag bei 1,7 Prozent. Für ein Unternehmen dieser Größenordnung ist das kein kleiner Schritt – zumal die Margen ebenfalls stabil blieben.

Ein Signal an den Markt – und an die Investoren

Dass die Aktie daraufhin um zehn Prozent zulegte, war mehr als nur eine Reaktion auf die Quartalszahlen. Es war ein Vertrauensvotum. Denn Reckitt war in den vergangenen Jahren stark unter Druck geraten: Probleme in der Lieferkette, Managementwechsel, schwaches Wachstum in den westlichen Märkten – all das hatte dem Traditionsunternehmen zugesetzt.

Quelle: Eulerpool

Dass ausgerechnet ein konservativer, als „langweilig“ abgestempelter Konsumgüterkonzern nun mit einem zweistelligen Tagesplus überrascht, sagt viel über das neue Selbstbewusstsein der Briten.

Die Jahresprognose wurde folgerichtig angehoben: Statt zwei bis vier Prozent Wachstum peilt der Konzern nun drei bis vier Prozent an. Es ist kein Quantensprung, aber in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit zählt jedes Zehntel.

Und dass Reckitt nun eine untere Zielmarke auf drei Prozent anhebt, signalisiert: Man sieht sich stabiler aufgestellt, als viele Beobachter es für möglich hielten.

Wachstum trotz Gegenwind

Was das Ergebnis noch bemerkenswerter macht: Reckitt verzeichnete in seinen europäischen und nordamerikanischen Märkten keine nennenswerten Fortschritte.

Quelle: Eulerpool

Im Gegenteil: Dort bleibt das Umfeld herausfordernd. Die Konsumzurückhaltung infolge der Inflation, ein harter Preiskampf in den Handelsketten und stagnierende Volumina drücken auf die Dynamik. Dennoch gelingt es dem Konzern, die Schwäche in den Industriestaaten durch Zuwächse in den Schwellenländern mehr als auszugleichen.

Gerade Marken wie Durex, Finish, Dettol oder Calgon sind in Wachstumsmärkten längst nicht mehr nur Premiumprodukte – sie gehören vielerorts inzwischen zum festen Bestandteil des Haushalts.

In Brasilien und Indien gelingt Reckitt laut Unternehmenskreisen derzeit ein überdurchschnittliches Wachstum im Bereich Hygieneprodukte. Auch die Nachfrage nach OTC-Medikamenten wie Gaviscon oder Nurofen zieht an.

Rückkaufprogramm sendet klares Signal

Ein weiterer Punkt, der Investoren erfreute: Das neue Aktienrückkaufprogramm. Eine Milliarde Pfund will der Konzern in eigene Aktien investieren – ein deutliches Zeichen der Kapitalmarkttreue.

In Zeiten, in denen viele Unternehmen mit hoher Verschuldung oder schwacher Bilanz kämpfen, demonstriert Reckitt damit Stärke. Die Maßnahme dürfte nicht nur den Kurs stützen, sondern auch die Kapitalrendite erhöhen. Für institutionelle Investoren ist das ein Argument, Positionen auszubauen – zumal der Konzern zuletzt immer wieder als Übernahmekandidat gehandelt wurde.

Renaissance einer alten Börsenliebe?

Für viele Anleger ist Reckitt ein Fall von „lange vergessen, jetzt wieder spannend“. Die Aktie hatte über Jahre enttäuscht, fiel aus vielen Fondsstrategien heraus – nun schiebt sich das Papier wieder auf die Watchlists. Nicht wegen eines disruptiven Produkts, sondern wegen etwas viel Seltenerem: operativer Solidität in schwierigen Zeiten.

Ob die Rally von Dauer ist, bleibt abzuwarten. Der Druck in den Kernmärkten wird nicht verschwinden, auch der Wettbewerb durch Eigenmarken und aggressive Discounter bleibt ein Risiko. Doch die Zahlen belegen: Reckitt hat mehr Resilienz, als viele dachten – und ein Management, das offenbar wieder Kontrolle über die operative Entwicklung gewonnen hat.

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