27. Juli, 2024

History

Putins „Tag des Sieges“

Präsident Putin nutzt den Gedenktag, um seine Angriffe auf die Ukraine mit zweifelhaften historischen Parallelen zu rechtfertigen. Eine Analyse der schwerwiegendsten Verzerrungen.

Putins „Tag des Sieges“
Während seiner Rede am Tag des Sieges nutzt Putin historische Vergleiche, um den Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen, indem er die ukrainische Regierung fälschlicherweise als faschistisch darstellt.

Am „Tag des Sieges“, einer tief verwurzelten Gedenkveranstaltung in Russland, die den Sieg über Nazi-Deutschland feiert, hat Wladimir Putin erneut eine Gelegenheit genutzt, seine politischen Narrative zu festigen.

Unter den Augen der Weltöffentlichkeit spannte er am 9. Mai eine direkte Linie von der historischen Großmacht Russlands im Zweiten Weltkrieg zu seiner aktuellen „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine.

Putin behauptet, die Ukraine sei eine Erfindung Lenins, was die lange Geschichte ukrainischer Staatlichkeitsbestrebungen und kultureller Unabhängigkeit ignoriert.

Dieser Akt der historischen Umdeutung ist nur ein Teil einer größeren Strategie, die darauf abzielt, die Invasion Russlands in der Ukraine zu rechtfertigen und gleichzeitig interne Zustimmung zu sichern.

Geschichtsklitterung als politisches Werkzeug

Putin stellt die Ukraine als Brutstätte des modernen Faschismus dar, eine Rhetorik, die tief in der sowjetischen Geschichtsschreibung wurzelt, welche wiederum strategisch eingesetzt wird, um die russische Invasion zu legitimieren.

Diese Darstellung ignoriert die komplexe und oft schmerzhafte Geschichte der Ukraine als Nation und ihre jahrhundertelangen Bemühungen um staatliche und kulturelle Autonomie.

Die „Erfindung“ der Ukraine

Ein zentraler Punkt in Putins Argumentation ist die Behauptung, die Ukraine sei eine künstliche Schöpfung, initiiert von Lenin und der Sowjetunion. Diese Auffassung ignoriert jedoch eine Vielzahl historischer Fakten, darunter die zahlreichen Bestrebungen der Ukrainer, einen unabhängigen Staat zu gründen, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen.

Putin verbindet den Großen Vaterländischen Krieg mit dem aktuellen Konflikt in der Ukraine, um Unterstützung für die militärische Intervention zu gewinnen und patriotische Gefühle zu stärken.
„Ukrainisch unterscheidet sich vom Russischen wie das Englische vom Niederländischen“, schreibt der Historiker Owen Matthews.

Die Vereinfachung dieser Geschichte dient Putin dazu, die ukrainische Souveränität zu unterminieren und russische Expansionsansprüche zu stützen.

Von der UdSSR zur Unabhängigkeit

Die Geschichte der Ukraine ist durchzogen von Momenten der Unterdrückung und des Widerstands. Nach der Zerstückelung des zaristischen Russlands und während der Existenz der Sowjetunion erlebte die Ukraine Phasen der Russifizierung und der kulturellen Unterdrückung, gefolgt von kurzen Perioden der Liberalisierung.

Durch das Ziehen paralleler Linien zwischen WWII-Helden und heutigen russischen Soldaten in der Ukraine formt Putin eine brüchige Brücke zwischen historischem Heroismus und gegenwärtiger Aggression.

1991 erreichte sie schließlich die lang ersehnte Unabhängigkeit, anerkannt auch von Russland selbst – ein Fakt, den Putin in seiner aktuellen Rhetorik geflissentlich übersieht.

Die Wiederkehr der Geschichte

Putins Behauptungen am „Tag des Sieges“ illustrieren, wie Geschichte geformt und umgedeutet wird, um gegenwärtige politische Ziele zu unterstützen.

Anlässlich des Tages des Sieges nutzt Putin selektive historische Erinnerungen, um seine Invasion der Ukraine zu legitimieren und interne Unterstützung zu stärken.

Die Behauptung, dass die heutigen Kämpfer in der Ukraine die Nachfolger der Großen Vaterländischen Kriegshelden seien, dient dazu, die russische Bevölkerung emotional zu mobilisieren und den Krieg gegen die Ukraine in ein heroisches Licht zu rücken.

Die Macht der Narration

Die jährlichen Reden Putins am 9. Mai verdeutlichen die machtvolle Rolle von historischen Narrativen in der staatlichen Propaganda. Während Russland seine militärischen Operationen in der Ukraine fortsetzt, bleibt die wahre Geschichte – eine Geschichte der Vielfalt, der Unterdrückung und des Kampfes um Autonomie – oft ein Opfer der politischen Manipulation.