Vorgezogene Preisschocks als Umsatzmotor
Als viele Verbraucher im Frühjahr hörten, dass ihr Lieblingskaffee bald teurer wird, begannen sie zu hamstern. Jacobs, L’Or, Tassimo – wer konnte, legte sich Vorräte an.

Für JDE Peet’s, den niederländischen Mutterkonzern, war das ein Glücksfall. Im ersten Halbjahr 2025 schnellte der Umsatz nach oben, die Gewinnspanne stieg – trotz teils deutlich gestiegener Einkaufspreise auf dem Weltmarkt.
Die Firma reagierte prompt: Statt wie bisher ein Wachstum „im hohen einstelligen Bereich“ zu erwarten, stellt sie nun ein Umsatzplus von bis zu 20 Prozent in Aussicht. Ein seltener Moment der Euphorie in einer Branche, die sonst oft unter Margendruck leidet.
Rohkaffee: teuer wie seit Jahren nicht mehr
Dass JDE Peet’s trotzdem liefert, ist keineswegs selbstverständlich. Die internationalen Rohkaffeemärkte befinden sich im Aufwärtsrausch. Gründe sind extreme Wetterereignisse in Brasilien, geopolitische Unsicherheiten und höhere Transportkosten.
Die Preise für Arabica-Bohnen haben sich innerhalb von zwei Jahren fast verdoppelt. Für einen Konzern, der jährlich Millionen Tonnen Kaffee verarbeitet, kann das zur Belastungsprobe werden – vor allem, wenn Preiserhöhungen nicht vollständig an die Kunden weitergegeben werden können.

Doch JDE Peet’s hat einen Trick genutzt, der bei Konsumgütern oft zieht: die psychologische Ankündigung kommender Preissteigerungen. Wer rechtzeitig warnt, sorgt dafür, dass Regale leergekauft werden – und verbucht die Umsätze vorzeitig. Ein Einmaleffekt, der nun das erste Halbjahr glänzen lässt.
Europa als Treiber – und Wackelkandidat
Laut Analysten von JPMorgan und KBC Securities war insbesondere das Europageschäft der entscheidende Treiber. Kunden deckten sich dort frühzeitig mit Kaffee ein – sei es aus Angst vor Inflation oder aus Gewohnheit. Die Frage ist: Was passiert im zweiten Halbjahr, wenn die Vorratsschränke voll sind?
JPMorgan-Analysten rechnen mit einem gegenteiligen Effekt: Die starke Nachfrage aus Q1 und Q2 könnte sich in Q3 und Q4 abschwächen – oder gar ins Minus drehen. Hinzu kommt, dass weitere Preiserhöhungen in Zeiten stagnierender Reallöhne zunehmend auf Widerstand stoßen dürften.
Aktienkurs springt zweistellig – aber wie lange noch?
Anleger jedenfalls feierten die neuen Zahlen. Die Aktie von JDE Peet’s sprang am Mittwoch um über zehn Prozent – ein kräftiger Anstieg für ein Konsumgüterunternehmen, das sonst eher mit Stabilität punktet als mit Spektakel.
Die Aufwärtsbewegung dürfte auch mit dem plötzlichen Umschwung in der Prognose zusammenhängen. Analysten hatten maximal mit einem leicht positiven Ausblick gerechnet – ein Wachstum von bis zu 20 Prozent überraschte sogar optimistische Stimmen.
Doch Vorsicht ist angebracht: Ein großer Teil des Wachstums könnte sich als vorgezogen erweisen. Sollte die Nachfrage im zweiten Halbjahr spürbar nachlassen, droht ein Reality-Check – sowohl für die Bilanz als auch für den Aktienkurs.
Der Druck bleibt hoch – auch in den Fabriken
Auch jenseits der Börse bleiben Herausforderungen. Zwar gehört JDE Peet’s zu den weltweit größten Röstkaffee-Konzernen, doch die Konkurrenz ist brutal – Nestlé mit Nespresso, Lavazza, Aldi mit Eigenmarken. Wer beim Preis zu forsch agiert, riskiert Marktanteile. Wer zu zaghaft ist, bleibt auf Kosten sitzen.
Zudem steigen die Ansprüche: Nachhaltige Lieferketten, klimaneutrale Röstverfahren, bessere Bedingungen für Kaffeebauern – all das kostet Geld und reduziert die Flexibilität bei der Margensteuerung. Ob JDE Peet’s in der Lage ist, auf Dauer höhere Einkaufspreise mit smarter Logistik und Marketing zu kompensieren, bleibt offen.
Das könnte Sie auch interessieren:
