08. August, 2025

Politik

Polens neuer Präsident setzt auf Dudas altes System

Karol Nawrocki zieht ins Präsidentenamt ein – und mit ihm die alte Agenda. Der knappe Wahlsieg des PiS-Kandidaten markiert keinen Neuanfang, sondern die Fortsetzung einer jahrelangen Aushöhlung des Rechtsstaats.

Polens neuer Präsident setzt auf Dudas altes System
Karol Nawrocki bei seiner Vereidigung zum Präsidenten – gewählt mit nur 50,9 Prozent und bestätigt von einem Gericht, das laut EU keine unabhängige Justizinstanz ist.

Ein neues Gesicht, dieselbe Partei

Die Videobotschaft war pathetisch. Karol Nawrocki sprach von einem "neuen Kapitel" in der Geschichte Polens. Doch wer zwischen den Zeilen liest, merkt schnell: Allzu viel Neues ist nicht geplant. Nawrocki, von der nationalkonservativen PiS ins Rennen geschickt, übernimmt das Präsidentenamt als verlängerter Arm seines Vorgängers – und Förderers – Andrzej Duda.

Der Tag der Vereidigung, der 6. August, war der letzte Akt eines knappen Wahlsiegs: 50,9 Prozent gegen 49,1 für den liberalen Herausforderer Rafal Trzaskowski. Der Riss, der durch das Land geht, zieht sich damit auch mitten durch die Präsidentschaft.

Ein Wahlergebnis mit Sternchen

Formal wurde die Wahl vom Obersten Gericht bestätigt. Doch genau dort liegt das Problem: Die Kammer, die das Urteil fällte, existiert in ihrer jetzigen Form nur dank der Justizreform der PiS. Nach Ansicht europäischer Richter ist sie nicht unabhängig – und damit eigentlich nicht legitim.

Rechtsstaatlich sauber sieht anders aus. Und politisch wird die Vereidigung Nawrockis zum Sinnbild für den Zustand Polens: legalisiert, aber nicht legitim. Auch innerhalb des Regierungslagers um Premier Donald Tusk wird offen über die Fragwürdigkeit dieser Wahl gesprochen – wenn auch verhalten. Einen Eklat zur Amtseinführung wollte niemand riskieren.

Dudas Handschrift bleibt

Wer verstehen will, was nun auf Polen zukommt, muss auf Dudas Bilanz schauen. Zehn Jahre war er Präsident – offiziell parteilos, de facto ein loyaler Statthalter der PiS. Immer wieder unterschrieb er Gesetze im Sinne von Parteichef Jaroslaw Kaczynski, oft gegen massiven Protest der Justiz, der Opposition und der EU.

Demokratie mit doppeltem Boden: Polens Oberstes Gericht, das die Wahl Nawrockis bestätigte, wurde von der PiS geschaffen und gilt als politisch kontrolliert.

Der Begriff „Kaczynskis Kugelschreiber“ war mehr als nur Spott – er beschrieb die Rolle eines Präsidenten, der mit Unterschriften eine demokratische Institution nach der anderen entwertete. Der Justizumbau, der mit der Blockade bereits gewählter Verfassungsrichter begann, war Dudas Werk. Und seine Blockadehaltung gegenüber der neuen Regierung Tusks setzte sich bis zuletzt fort.

Die Justiz als Waffe

Neue Disziplinarkammern, entmachtete Gerichte, Richter, die von Kollegen nicht anerkannt werden – all das ist heute Realität in Polen. Das Verfassungsgericht erklärte europäisches Recht kurzerhand für nichtig. Die Folge: Vertragsverletzungsverfahren, eingefrorene EU-Gelder, massive Vertrauensverluste. Doch Duda zeigte sich unbeeindruckt.

Dass Nawrocki diesen Kurs beenden wird, glaubt kaum jemand. Vielmehr rechnen viele Beobachter mit einer noch konfrontativeren Linie – nicht nur gegenüber Brüssel, sondern auch gegenüber der eigenen Regierung. Der Präsident als Vetomaschine: Das droht zur neuen Normalität zu werden.

Duda plant sein Comeback

Während Nawrocki das Präsidialamt übernimmt, denkt Duda längst weiter. In den Ruhestand will der 53-Jährige nicht. Seit Monaten kursieren Spekulationen über ein internationales Amt – etwa bei der NATO oder der UNO. Auch eine Rückkehr in die polnische Innenpolitik gilt als wahrscheinlich, sollte PiS-Chef Kaczynski abtreten.

Dass Duda noch nicht fertig ist, zeigen auch seine internationalen Netzwerke. Seine Nähe zu Donald Trump ist bekannt, ebenso wie sein Draht nach Kiew. In der Ukraine genoss Duda als Unterstützer Selenskyjs zeitweise große Sympathien. Seine außenpolitischen Auftritte gaben seiner Präsidentschaft am Ende doch noch etwas Glanz.

Eine politische Patt-Situation

Doch im Innern bleibt das Land blockiert. Die Regierung Tusk will Reformen, die der neue Präsident wohl nicht zulassen wird. Die PiS hat ihre Macht in den Institutionen zementiert. Und die knappe Wahl zeigt, wie tief das Land gespalten ist.

Die kommenden Jahre könnten deshalb weniger von Gestaltung als von Stillstand geprägt sein. Eine handlungsfähige Exekutive gegen eine blockierende Präsidentschaft – das ist keine stabile Machtbalance, sondern eine systemische Sackgasse.

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