Eine Branche rechnet ab – mit sich selbst
Es war keine gute Woche für Deutschlands Automanager. Porsche meldet ein Minus von zwei Dritteln, Mercedes mehr als die Hälfte, VW ein Drittel, BMW ein Viertel. Kaum einer verschont.
Doch es waren nicht nur die Zahlen, die überraschten – sondern der Ton. Porsche- und VW-Chef Oliver Blume sprach offen von Fehleinschätzungen, von überhöhten Erwartungen an die E-Mobilität. Ein Eingeständnis, das sonst selten ist in dieser Branche.
Porsche gibt offen zu: Das war zu schnell
Blume sagte, man habe sich auf falsche Annahmen verlassen. Und kündigte direkt eine Kurskorrektur an: Der Verbrennungsmotor soll bei Porsche wieder eine größere Rolle spielen.
Mindestens bis weit in die 2030er-Jahre. Das kommt einem kleinen Paukenschlag gleich – denn bislang hatte der Hersteller den SUV Macan in Europa ausschließlich als Elektroversion angeboten.
Dass ausgerechnet der Konzern, der so lautstark auf Strom gesetzt hatte, nun auf die Bremse tritt, sagt viel über die Stimmung in der Industrie.
Kein Geld, keine Euphorie, kein Plan B
Die Realität holt die Hersteller ein. E-Autos verkaufen sich längst nicht so gut wie erhofft, vor allem in Europa. Die Ladeinfrastruktur bleibt mangelhaft, die Preise hoch, die Batterien schwer.

Und auch der erhoffte Export nach China funktioniert nicht mehr: Die dortige Nachfrage ist eingebrochen, chinesische Wettbewerber drücken mit staatlicher Unterstützung die Preise.
Währenddessen reißen die Investitionen in neue Werke und Technologien immer größere Löcher in die Bilanzen. Das alte Geschäft wirft nicht mehr genug ab – das neue noch nicht.
Die Politik hilft – wenn auch unfreiwillig
In Berlin und Brüssel beginnt ebenfalls das große Nachdenken. Das EU-Verbot für neue Verbrenner ab 2035 steht, wird aber 2026 noch einmal überprüft. Und plötzlich sind die Argumente der Autobauer nicht mehr nur Eigeninteresse, sondern auch politische Munition.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat schon vorgelegt – mit einem „Zehn-Punkte-Plan“, der „Technologieoffenheit“ fordert. Was das heißt, ist klar: Das Aus für den Verbrenner soll nicht kommen. Jedenfalls nicht in dieser Form.
Arbeitsplätze als Joker
Ein Thema wirkt dabei besonders stark: Jobs. Zehntausende Stellen hängen an der klassischen Antriebstechnik. Der Zulieferer Mahle warnt, dass alleine bei ihm 20.000 Arbeitsplätze betroffen sein könnten. EU-weit könnte es um 280.000 Jobs gehen. Das ist keine Randnotiz – das ist politischer Sprengstoff.
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Dass die Gewerkschaften zunehmend leise werden, passt ins Bild. Bei Porsche etwa hat Blume die Belegschaft bereits auf eine weitere Sparrunde eingestimmt. Proteste? Bisher keine.
Verknappung statt Wachstum – neue Strategie, alter Motor
Ein weiteres Signal: Die Manager sprechen nicht mehr über Absatzrekorde, sondern über Margen. „Marge vor Menge“, heißt es bei Audi. Das heißt: lieber weniger Autos verkaufen, aber dafür teure. Und die lassen sich – Stand heute – besser mit Verbrennungsmotoren verkaufen als mit Batterien.
Was wie eine Notlösung klingt, wird nun zur Strategie umgedeutet. Auch BMW setzt wieder stärker auf Hybrid, prüft Wasserstoffoptionen, tüftelt an besseren Recycling-Konzepten. Und natürlich: E-Fuels. Porsche betreibt in Südamerika bereits eine eigene Anlage – bislang mehr Image als Lösung, aber immerhin ein Anfang.
Kritik von Klimaschützern – nicht ganz unberechtigt
Die Umweltverbände schlagen Alarm. Ihr Vorwurf: Die Industrie wolle sich mit dem Verweis auf technologische Alternativen lediglich mehr Zeit erkaufen. E-Fuels seien teuer, ineffizient und derzeit nicht skalierbar. Die Sorge: Wenn das Verbrennerverbot fällt, rollen weiter Benziner über die Straßen – nur eben ohne synthetischen Sprit.
Tatsächlich wirkt manches, was als „technologieoffen“ verkauft wird, wie eine Rückversicherung für ein altes Geschäftsmodell. Doch in einer Zeit, in der die Autoindustrie vor dem Umbruch steht, wollen sich die Konzerne nicht mehr auf eine einzige Technologie verlassen – schon gar nicht, wenn sie Verluste einfährt.
Der Wind hat gedreht – und die Branche nutzt ihn
Was bleibt, ist ein bemerkenswerter Rollenwechsel. Die Autobauer, einst Treiber der E-Mobilität, rücken ab vom eigenen Narrativ. Und ausgerechnet in der Krise schöpfen sie neue Argumente für einen alten Motor. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Erfahrung. Und vielleicht auch aus Kalkül.
Denn wer sich auf Prognosen verlässt, kann böse aufwachen – oder rechtzeitig umsteuern. Für Porsche, BMW, Mercedes und VW ist jetzt der Moment gekommen, beides gleichzeitig zu versuchen: sich zu retten und zu rechtfertigen.
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