Vollgas gibt’s nur noch mit Kreditkarte. Wer in Großbritannien einen ID.3 von Volkswagen bestellt, bekommt die versprochene Leistung nicht einfach mitgeliefert.
Statt 230 PS gibt’s ab Werk nur 204 – es sei denn, man schaltet das Upgrade frei. Kostenpunkt: rund 19 Euro im Monat. Digital, versteht sich. Die Hardware ist bereits drin. Aber wer sie nutzen will, soll bezahlen.
Was klingt wie Satire, ist Strategie
Die Empörung im Netz ließ nicht lange auf sich warten. „Bevormundung! Abzocke!“, schreiben User unter die Meldung von Auto Express, einem britischen Magazin, das die Geschichte zuerst gebracht hat. Der Vorwurf: VW halte Funktionen künstlich zurück, nur um sie später teuer zu vermieten.
Aber der Gedanke ist nicht neu – und auch nicht exklusiv bei VW. BMW, Mercedes, Audi – sie alle bauen Autos längst so, dass sie mehr können, als sie ab Werk dürfen. Wer Extras will, klickt sie dazu. Wer sie nicht mehr braucht, kündigt. Das Auto wird zum Abo-Modell.
Autos, die wie Apps funktionieren
Wer heute einen neuen Wagen kauft, bekommt keinen fertigen Gegenstand mehr. Sondern ein Grundpaket. Der Rest wird gestreamt. Sitzheizung? Tempomat? Ambientebeleuchtung? Ist alles schon drin – aber erst verfügbar, wenn man es freischaltet. Am besten per App, monatlich kündbar.
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Für die Hersteller ist das ein Traum: laufende Einnahmen, flexible Pakete, direkte Kundenbindung. Für die Fahrer: gewöhnungsbedürftig. Denn viele wollen ein Auto noch besitzen. Nicht mieten, klicken oder abonnieren. Sondern einfach fahren.
Kaffee-Kapseln auf Rädern
Michael Jost, einst Chefstratege bei VW, verglich das Konzept mal mit Nespresso: Die Maschine ist günstig – verdient wird mit den Kapseln. Das Auto ist die Maschine, die PS das Upgrade. Die Plattform gehört dem Hersteller. Der Kunde darf sie nutzen – so lange er zahlt.
Das Ziel dahinter: VW will nicht mehr nur beim Verkauf verdienen. Sondern im Betrieb. Das klassische Geschäftsmodell – einmal kaufen, dann fahren – bringt kaum noch Marge. Das neue Modell: immer wieder zahlen, immer wieder nutzen. Und möglichst oft neu abonnieren.
Software first, Hardware egal
Autos sind längst rollende Computer. Und genau wie bei Smartphones lässt sich die Software jederzeit erweitern. Der Unterschied: Ein iPhone kostet 1000 Euro. Ein ID.3 locker das Drei- bis Vierfache. Und trotzdem sollen die Nutzer bereit sein, regelmäßig nachzuzahlen – für Dinge, die schon eingebaut sind.
Ob das funktioniert? Noch ist es ein Experiment. In Deutschland wurde das PS-Abo beim ID.3 bereits vor einem Jahr eingeführt. Auch andere Funktionen lassen sich buchen – zum Teil dauerhaft, zum Teil auf Zeit.
VW ist da nicht allein. BMW verkauft Sitzheizung und Lenkradwärmer im Abo, Mercedes bietet „digitale Extras“, Audi das „virtuelle Cockpit plus“.
Und wer nicht zahlt? Bekommt weniger
Die Logik ist simpel – und unbequem: Wer weniger will, zahlt weniger. Wer mehr will, zahlt monatlich drauf. Das betrifft nicht nur Komfortfunktionen, sondern in Zukunft vielleicht auch Sicherheit, Reichweite, Effizienz. Es ist ein völlig neues Verständnis davon, was ein Auto eigentlich ist: kein Produkt, sondern ein Service.
Ein Umbau mit Risiken
Natürlich weiß auch VW, dass viele Kunden nicht begeistert sind. Die Transformation läuft nicht reibungslos. Die Gewinne brechen an anderer Stelle weg. Die Software-Offensive stockt. Die Abo-Zahlen sind überschaubar. Und ob das Geschäftsmodell langfristig trägt, ist offen.
Aber aufhalten lässt sich die Richtung kaum noch. Die Autoindustrie hat sich auf den Weg gemacht – von der Werkbank zur Cloud. Vom Verkäufer zum Betreiber. Und sie wird diesen Weg gehen, ob die Kunden das wollen oder nicht.
Und das PS-Abo? Ist erst der Anfang
Denn wenn die Nutzer erst mal daran gewöhnt sind, für Funktionen zu zahlen, wird es nicht bei Sitzheizung und Motorleistung bleiben. Dann kommen Fahrsounds, Reichweitenpakete, AI-Assistenten, Entertainment-Add-ons – alles gegen Aufpreis. Das Auto wird zur Plattform. Und die Plattform gehört nicht dem Kunden.
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