Deutsch auf dem Papier – chinesisch im Code?
Die Telekom nennt ihre T-Cloud gerne die „souveräne Antwort“ auf die US-Techgiganten. Doch unter der Oberfläche steckt Technik, die bei Datenschützern Stirnrunzeln auslöst: Bis heute laufen zentrale Komponenten der Open Telekom Cloud mit Software, die auf der Technologie des chinesischen Konzerns Huawei basiert – einem Unternehmen, das weltweit wegen Sicherheitsbedenken auf schwarzen Listen steht.
Ein vertrauliches Erbe, das keiner mehr nennen will
2016 war das „Powered by Huawei“ noch ein PR-Coup. Heute wird der Name im Konzernumfeld kaum noch laut ausgesprochen. Bei der Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre Cloud“ fehlte der chinesische Partner in allen offiziellen Dokumenten.
Doch die Altlasten sind geblieben – in Form von Virtualisierungsschichten, Komponenten und Prozessen, die tief in der Infrastruktur der Telekom-Cloud verwurzelt sind.
Ein Markt, der nach Unabhängigkeit ruft
Die Debatte um digitale Souveränität wird nicht nur in Berlin geführt. Spätestens seit der NSA-Affäre und dem Druck der Trump-Administration, europäische Behörden-Accounts abschalten zu lassen, fordern immer mehr Unternehmen und Institutionen: Daten sollen nicht nur in Europa gehostet werden – sie sollen auch aus europäischen Händen stammen. Physisch, rechtlich, technologisch.
Doch genau daran hapert es. Die Telekom selbst betreibt neben der Huawei-basierten Cloud auch Angebote mit US-Technologiepartnern: AWS, Microsoft Azure, Google Cloud.
Sogar die „Sovereign Cloud“ der Telekom ist letztlich ein Angebot auf Google-Infrastruktur. Ausgerechnet Google – ein Konzern, gegen dessen Datenpraktiken die EU regelmäßig vorgeht.

Ein Insider spricht Klartext
Ein früherer Projektmitarbeiter aus der Open-Telekom-Cloud-Entwicklung beschreibt die Lage nüchtern:
„Damals war ein eigener Aufbau wirtschaftlich nicht durchsetzbar. Huawei hat geliefert. Und das sehr effizient.“
Über 100 chinesische Techniker sollen zeitweise am Aufbau beteiligt gewesen sein. Heute redet man nicht mehr darüber – dabei sind zentrale Bestandteile der Cloud nach wie vor technologische Black Boxes.
Telekom hält dagegen – aber vermeidet klare Zahlen
T-Systems-Chef Ferri Abolhassan spielt das Thema herunter: „Alles wird aus europäischer Hand und nach europäischem Recht betrieben.“ Er nennt die Debatte um Huawei eine „Scheindiskussion“.
Doch auf Nachfrage, wie hoch der Anteil der Huawei-Technik aktuell noch ist, bleibt der Konzern vage. Inoffiziell heißt es: Noch rund 30 % der Server seien betroffen. Einen Fahrplan für den vollständigen Ausstieg gibt es nicht.
Sicherheitsrisiken bleiben real
„Ein bisschen Huawei gibt es nicht“, sagt Matthias Rack, Sicherheitsforscher an der TU Dresden. „Nicht vertrauenswürdige Hardware in Cloud-Umgebungen birgt systemische Risiken.“
Die Telekom argumentiert, alle Software werde geprüft – doch was, wenn der Schadcode bereits so tief eingebettet ist, dass ihn auch Fachleute nicht erkennen?
Zudem werden Updates für Huawei-Komponenten weiterhin aus China geliefert – und bei Problemen holen sich die Administratoren technische Unterstützung beim ursprünglichen Hersteller. Kritiker nennen das eine riskante Kette.
Vertrauen ist nicht ersetzbar
Der Wettbewerb um Kunden im öffentlichen Sektor ist intensiv. Während die Telekom ihre T-Cloud offensiv bewirbt, setzen erste EU-Behörden laut Medienberichten bereits auf Rückzug.
Andere Anbieter wie Ionos (1&1) oder Schwarz Digits (Lidl-Gruppe) gewinnen Marktanteile – mit klar kommunizierten, europäischen Lösungen.
Souveränität kostet. Aber sie ist bezahlbar.
Abolhassan hat zweifellos vieles in Bewegung gebracht. T-Systems wächst wieder, das operative Ergebnis ist positiv, die Kundenbasis wächst. Doch am Ende entscheidet nicht allein der wirtschaftliche Erfolg – sondern auch die Glaubwürdigkeit. Und die leidet, wenn eine als „souverän“ beworbene Cloud unter der Haube alte Allianzen mit Partnern trägt, die heute als geopolitisches Risiko gelten.
Die Frage ist also nicht, ob die T-Cloud technisch gut ist. Die Frage ist, ob sie dem Anspruch gerecht wird, den sie selbst erhebt: digitale Souveränität für Europa zu liefern – ohne Kompromisse.
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