Die Kaution, die keiner zurückbekommt
250 Dollar – so viel sollen bald alle zahlen, die ein Nicht-Einwanderungsvisum für die USA beantragen. Die sogenannte „Visa Integrity Fee“ wird zwar offiziell als rückerstattbare Kaution deklariert, doch Experten rechnen damit, dass Millionen das Geld nie wiedergesehen werden.
Der Grund: Die Rückzahlung erfolgt nur bei strikter Einhaltung sämtlicher Einreisebedingungen – und oft erst Jahre später.
Was harmlos klingt, könnte ein milliardenschwerer Finanzierungshebel sein. Das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) schätzt: In zehn Jahren spült die Maßnahme rund 29 Milliarden Dollar in die US-Staatskasse – mehr, als das Landwirtschaftsministerium für Schulverpflegung ausgibt.
Einreisegebühr mit politischem Beigeschmack
Hinter der Maßnahme steht die Trump-Regierung, die das Gesetz kürzlich unter dem sperrigen Namen „One Big Beautiful Bill“ durch den Kongress brachte. Offiziell geht es um die Eindämmung illegaler Einwanderung – fast die Hälfte der rund elf Millionen Menschen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis sei ursprünglich legal eingereist, dann aber einfach geblieben.
Die Logik dahinter: Wer beim Antrag 250 Dollar hinterlegt, überlegt es sich zweimal, ob er seine Fristen einhält. Doch Beobachter zweifeln am Abschreckungseffekt. „250 Dollar werden niemanden davon abhalten, länger zu bleiben“, sagt Steven Okun von der Beteiligungsgesellschaft KKR.

Stattdessen stecke vor allem ein fiskalisches Kalkül hinter der Gebühr. Okun vermutet, dass die Trump-Regierung nach einem Weg sucht, die Folgen der eigenen Steuersenkungen auszugleichen – ohne dies offen zuzugeben.
Wer betroffen ist
Treffen wird es vor allem internationale Geschäftsreisende, Studierende und Teilnehmende von Austauschprogrammen. Konkret betrifft die Maßnahme unter anderem Visa-Typen wie:
- H-1B (Fachkräfte)
- L-1 (internationale Konzernmitarbeiter)
- B-1 (Geschäftsreisende)
- F-1 (Studenten)
- J-1 (Austauschprogramme, Au-pair)
- O-1 (besonders qualifizierte Fachkräfte)
Wer aus einem ESTA-Land wie Deutschland kommt, ist zumindest beim Tourismus davon verschont – solange er sich nicht in bestimmten Ländern wie Kuba oder Iran aufgehalten hat. Denn in diesen Fällen greift automatisch die Visumspflicht – und damit die neue Gebühr.
Tourismusbranche schlägt Alarm
Die US-Reisebranche sieht die Abgabe mit wachsender Sorge. „Unsinnige neue Gebühren für ausländische Besucher“ seien das Letzte, was die USA vor Großereignissen wie der Fußball-WM 2026 oder den Olympischen Spielen 2028 gebrauchen könnten, sagt Geoff Freeman, Präsident der U.S. Travel Association.
In einem ohnehin angespannten Wettbewerbsumfeld gefährde man so den Status der USA als Reiseziel – gerade gegenüber flexibleren Märkten wie Kanada oder Japan.
Auch ökonomisch dürfte die Rechnung nicht aufgehen: Wer weniger Gäste ins Land lässt, verliert Umsatz, Investitionen und Einfluss. Laut Branchenverbänden erwirtschaftet der internationale Tourismus in den USA jährlich rund 250 Milliarden Dollar und sichert mehr als eine Million Jobs.

Die Lücke im System
Zwar verspricht die Regierung eine spätere Rückzahlung der Gebühr – doch wie das konkret funktionieren soll, ist offen. Laut CBO gibt es bislang kein funktionierendes Erstattungsverfahren.
Einwanderungsanwälte warnen: Viele Antragsteller werden entweder nicht wissen, wie sie das Geld zurückfordern – oder nach Jahren gar nicht mehr berechtigt sein. Das Problem: Viele Visa sind mehrere Jahre gültig. Wer also etwa 2025 ein Visum erhält, kann sich die Gebühr womöglich erst 2029 erstatten lassen – wenn er überhaupt daran denkt.
Das Ergebnis ist absehbar: Die meisten werden auf ihren 250 Dollar sitzen bleiben. Genau damit kalkuliert offenbar auch der US-Staatshaushalt. Offiziell spricht man von Rückerstattung – realistisch ist aber eine verdeckte Steuer auf internationale Mobilität.
Ein Signal mit Nebenwirkung
Die Visa-Kaution mag symbolisch wirken – doch sie ist ein Statement. Ein Signal an die Welt, dass die USA nicht nur auf Kontrolle setzen, sondern auch auf Abschottung per Gebühr. In Zeiten globaler Vernetzung wirkt das rückwärtsgewandt. Wer die klügsten Köpfe, die innovativsten Firmen oder die vielversprechendsten Talente ins Land holen will, sollte Hürden abbauen, nicht erhöhen.
Die „Visa Integrity Fee“ mag formal sauber sein – politisch ist sie ein Stolperstein mit Ansage. Und sie wirft die Frage auf, ob die USA wirklich noch das Land der offenen Türen sein wollen – oder nur noch das der geschlossenen Portemonnaies.
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