Ein Prozent Misstrauen
Ein halbes Prozent klingt nicht viel. Doch in der Welt der Arzneimittelsicherheit ist diese Zahl ein Beben: Laut interner Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) meldete jeder 210. Teilnehmer der offiziellen SafeVac-App des Bundes einen Verdacht auf schwere Impfnebenwirkungen.
Das entspricht 0,48 Prozent der rund 740.000 registrierten Geimpften – und liegt damit um ein Vielfaches über den bisherigen Angaben der Bundesregierung.
Laut Karl Lauterbach (SPD) lag die Rate schwerer Nebenwirkungen 2023 noch bei angeblich 0,01 Prozent. Das Robert-Koch-Institut sprach gar von 0,00027 Prozent.
Wo bleibt die Auswertung?
Die Daten stammen nicht von dubiosen Foren oder anonymen Quellen, sondern aus einer offiziell beauftragten App des Gesundheitsministeriums, für die immerhin 1,6 Millionen Euro bereitgestellt wurden. 2021 gestartet, sollte die Anwendung einen zusätzlichen Meldekanal schaffen, um Nebenwirkungen digital zu erfassen – ein modernes Instrument zur Pharmakovigilanz.
Doch heute, Mitte 2025, liegt immer noch keine umfassende Auswertung vor. Warum?

Ein IT-Debakel und das Verstummen der Behörde
Im September 2023 verkündete das PEI, man befinde sich in der Auswertungsphase. Man rechne mit "bis zu zwölf Monaten" Bearbeitungszeit. Doch seitdem: Funkstille.
Die Softwarelizenz sei ausgelaufen, erklärte die Behörde. Neue Programmierer fehlten, und tausende Dateneinträge seien nie verarbeitet worden. Laut der früheren PEI-Abteilungsleiterin Brigitte Keller-Stanislawski kamen zu Spitzenzeiten bis zu 5000 Meldungen pro Tag.
Die IT war überfordert, das Personal unterbesetzt. Im Oktober 2023 waren rund 700.000 Datensätze noch nicht einmal gesichtet.
Internationales Schlusslicht
Während das US-Pendant CDC bereits mehr als 20 Studien auf Basis seiner v-safe-App publiziert hat, und Großbritannien seine "Yellow Card"-Daten längst veröffentlicht hat, hinkt Deutschland hinterher.
Das PEI erklärte zuletzt, man habe die Studie ausgeweitet – auf Personen mit Booster-Impfung. Das mache die Auswertung komplexer. Wann Ergebnisse folgen, bleibt offen.
Kritik aus Wissenschaft und Politik
Epidemiologe Klaus Stöhr zeigt sich entsetzt über die 0,5-Prozent-Marke, Virologe Alexander Kekulé fordert endlich Aufklärung: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Verdachtsmeldungen nicht ausgewertet wurden."
CDU-Politikerin Saskia Ludwig spricht von "dringendem Handlungsbedarf", FDP-Vize Wolfgang Kubicki nennt es wörtlich eine "Wand aus Intransparenz". Ob systemisches Versagen oder systematisches Verschweigen – für beide Fälle fordert er Konsequenzen.
Transparenz auf Raten
Das Vertrauen in die Impfkampagne leidet unter dem, was das PEI nicht sagt. Selbst wer die Wirksamkeit der Impfstoffe für belegt hält, muss eingestehen: Eine Gesundheitsbehörde, die Verdachtsdaten erhebt, aber nicht auswertet, verspielt Glaubwürdigkeit.
Was fehlt, ist keine Software – sondern ein klarer Wille zur Aufklärung. Und ein öffentlicher Diskurs, der unbequeme Daten nicht nur erträgt, sondern verlangt.
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