22. Juli, 2025

Börse

Vestas im Aufwind – doch reicht das für 186 Prozent Plus?

JPMorgan traut dem dänischen Windkraftpionier eine Kursverdreifachung zu. Aber wie realistisch ist dieses Best-Case-Szenario wirklich? Und was steht Vestas im Weg?

Vestas im Aufwind – doch reicht das für 186 Prozent Plus?
Analystenliebling oder Ökostrom-Zockerpapier? Vestas lässt Anleger träumen, doch der Realitätstest folgt mit den nächsten Zahlen.

Es ist eine der spektakuläreren Analystenprognosen dieser Wochen: JPMorgan sieht in einer neuen Studie ein Kursziel von bis zu 300 dänischen Kronen für Vestas. Das wäre ein Anstieg von stolzen 186 Prozent gegenüber dem letzten Schlusskurs.

Die Anleger reagierten prompt: Die Aktie des Windkraftanlagenbauers sprang zeitweise um mehr als neun Prozent nach oben. Doch hinter der Prognose steckt mehr als nur ein markiger Satz – sie ist Ausdruck einer Branche, die zwischen Hoffnung und strukturellen Problemen schwankt.

Der verantwortliche Analyst Akash Gupta nennt die aktuelle Lage einen Wendepunkt: Nach eineinhalb Jahren unterdurchschnittlicher Performance habe der Markt die Risiken bei Vestas weitgehend eingepreist.

Quelle: Eulerpool

Die schwachen Gewinnschätzungen und schrumpfenden Margen würden durch die nun besseren Wachstumsaussichten relativiert. Dazu verweist Gupta auf die Prognosen von Bloomberg New Energy Finance (BNEF), wonach Windkraftanlagen außerhalb Chinas bis 2030 im Schnitt zweistellig wachsen könnten.

Der Hoffnungsträger ist ausgerechnet der lange als unberechenbar geltende US-Markt. Zwar hat das neue Gesetzespaket der US-Regierung Wind- und Solarprojekte nicht wie befürchtet ausgebremst.

Doch eine echte Förderoffensive sieht anders aus. Vestas verfügt in den USA über eine starke Stellung – bleibt aber auf politische Rahmensetzung angewiesen. Der Markt ist groß, die Projekte sind da. Aber die Renditen? Unsicher.

Windkraft-Boom oder grüne Blase?

Vestas ist zweifellos ein Schwergewicht in der Branche. Das Unternehmen dominiert den Onshore-Windmarkt in Europa und Nordamerika, leidet aber wie viele Wettbewerber unter hohen Kosten für Rohstoffe, Lieferkettenproblemen und regulatorischer Unsicherheit.

Zwar hat sich die operative Marge zuletzt stabilisiert, doch die Profitabilität bleibt unter Druck. Analysten verweisen auf den harten Preiskampf und die langen Amortisationszeiten großer Windparks.

Hoffnungsträger USA: Der wichtigste Markt für Vestas bleibt politisch instabil – Förderpläne können sich nach jedem Regierungswechsel drehen.

Der Aktienkurs hat sich seit dem Höchststand 2021 mehr als halbiert. Eine Erholung erscheint fundamental nachvollziehbar – aber eine Verdreifachung? Das würde voraussetzen, dass Vestas sowohl bei Auftragslage als auch bei Margen und politischer Rückenwind perfekt zusammenspielen. Ein ambitioniertes Szenario.

Wagnis oder Wachstumsstory?

Vestas ist und bleibt ein Titel mit viel Substanz, aber auch erheblichen Risiken. Die Ökostrom-Fantasie der Börse verzeiht derzeit wenig: Schwäche bei Quartalszahlen wird abgestraft, geopolitische Risiken wirken sich schnell auf Projektfinanzierungen aus. Die charttechnische Lage spricht für eine Erholung, ein nachhaltiger Aufschwung braucht jedoch mehr als Analystenoptimismus.

Die Prognose von JPMorgan ist damit mehr als eine nette Idee: Sie ist ein Testfall für den Glauben an die grüne Transformation. Wer auf Vestas setzt, spekuliert auf politische Stabilität, steigende Stromnachfrage und sinkende Produktionskosten – kurzum: auf eine ideale Welt. Ob die kommt, entscheidet sich nicht nur an der Börse.

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