Wenn ein Parteigutachten zur Staatsaffäre wird
Washington kritisiert Berlin – und zwar ungewöhnlich scharf. Der Auslöser: Die Entscheidung deutscher Behörden, die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einzustufen. Für US-Senator Tom Cotton ein Grund, die gesamte transatlantische Geheimdienstkooperation infrage zu stellen.
Cotton, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im US-Senat, forderte in einem Schreiben an Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard, jegliche Zusammenarbeit mit Deutschland auf Eis zu legen – zumindest so lange, bis „die politische Verfolgung der AfD“ eingestellt werde.
Der Brief ging an die Presse, nicht an die Diplomatie. Die Wirkung war beabsichtigt.
Rechter Schulterschluss über den Atlantik
Was sich zunächst wie ein außenpolitischer Nebenschauplatz liest, ist tatsächlich ein außenpolitisches Warnsignal. Denn Cotton steht nicht allein. Auch Außenminister Marco Rubio und Vizepräsident JD Vance stimmten in den Chor der Kritik ein.
Die Aussagen wirken orchestriert: Rubio spricht von „Tyrannei in Verkleidung“, Vance zieht einen bizarren Vergleich zur Berliner Mauer – diesmal gebaut von deutschen Eliten, um unliebsame Opposition auszugrenzen.

Damit rückt ein innerdeutsches Thema – der Umgang mit einer rechtsextremistisch eingestuften Partei – in den Mittelpunkt der globalen Sicherheitsarchitektur.
Der wahre Kern: Ein kultureller Bruch
Cottons Vorwurf: Deutschland setze „Polizeistaat-Methoden“ gegen eine Oppositionspartei ein. Belege? Fehlanzeige.
Dabei basiert die AfD-Einstufung auf über 1.000 Seiten interner Analysen, dokumentierten Verlautbarungen, Chatgruppen und Reden von Funktionären. Es geht um nationale Identitätskonzepte, um rassistische Aussagen und das gezielte Unterlaufen demokratischer Institutionen.
Doch genau das scheint jenseits des Atlantiks kaum mehr relevant zu sein. Was zählt, ist das Narrativ: Eine populäre Partei wird unterdrückt – also muss sie geschützt werden.
Einseitiges Verständnis von Meinungsfreiheit
Tulsi Gabbard, früher Demokratin, heute unabhängige Stimme und neue Chefin der US-Nachrichtendienste, ist bekannt für ihre Positionen gegen das „US-Establishment“ und ihre Nähe zu konservativen Medien.
Dass sie nun entscheiden soll, ob deutsche Sicherheitsbehörden weiter auf Informationen aus NSA und CIA zugreifen dürfen, lässt tief blicken.
https://jungefreiheit.de/debatte/streiflicht/2025/verfassungsschutz-im-dienst-der-aechtung/
Denn die Informationsflüsse, um die es hier geht, sind keineswegs theoretisch. Bei der Terrorabwehr, bei Cyberbedrohungen und beim Schutz kritischer Infrastruktur ist Deutschland auf US-Expertise angewiesen – und umgekehrt.
Gefährliche Symbolpolitik
Die Forderung nach einem Abbruch der Zusammenarbeit stellt nicht nur das deutsch-amerikanische Vertrauensverhältnis infrage, sondern könnte reale Sicherheitsrisiken auslösen.
Besonders pikant: Viele der Hardliner, die nun auf Berlin zeigen, hatten in der Trump-Ära kein Problem mit Überwachung – so lange sie gegen Black Lives Matter, Antifa oder linke Netzwerke eingesetzt wurde.
Jetzt aber geht es um eine rechte Partei in Europa – und plötzlich wird aus dem Abhören von Telegram-Kanälen ein „autoritäres Mittel“.
Das Auswärtige Amt unter Druck
Die deutsche Antwort fällt bislang diplomatisch, aber bestimmt aus. Noch-Außenministerin Annalena Baerbock verteidigt die Entscheidung des Verfassungsschutzes als rechtlich sauber und demokratisch notwendig.
Die Replik von US-Vize-Außenminister Landau fiel entsprechend ausfällig aus: Von „Moralisierung“ und „Zensur“ war die Rede. Auf X (ehemals Twitter) schlug er verbal um sich – und sprach Deutschland das Recht ab, US-Außenpolitik zu kritisieren.
Das könnte Sie auch interessieren:
