Alibaba schaltet scharf – und zwar nicht in der Cloud, sondern auf dem Smartphone. Während sich der internationale KI-Wettbewerb bislang vor allem auf Unternehmenskunden konzentriert, hebt der chinesische Tech-Riese nun die Verbraucherseite ins Zentrum.
Mit einem umfassenden Umbau seiner mobilen KI-App wagt Alibaba den größten Sprung seit dem Start des Sprachmodells Qwen – und signalisiert damit unmissverständlich, wohin die Reise geht: weg von der klassischen E-Commerce-DNA, hin zur KI-getriebenen Plattformökonomie.

Interner Neustart: Tongyi wird zu Qwen – und Qwen wird zum KI-Agenten
Nach Informationen aus Unternehmenskreisen plant Alibaba, seine bisherigen Tongyi-Apps für iOS und Android nicht nur zu aktualisieren, sondern vollständig umzubauen. Der neue Name: „Qwen“ – nach dem hauseigenen KI-Modell, das in China mittlerweile als technologischer Kern der Gruppe gilt. Doch das Rebranding ist nur die sichtbare Oberfläche. Der eigentliche Umbau findet hinter den Kulissen statt: Schritt für Schritt sollen agentenbasierte Funktionen integriert werden, die weit über reines Chatting hinausgehen.
Geplant sind KI-Features, die sich tief in den Alltag des Online-Shoppings eingraben: Produktsuche, Preisvergleiche, personalisierte Empfehlungen, Einkaufslisten, Retouren-Management – alles automatisiert, alles KI-gestützt. Mehr als 100 Entwickler arbeiten bereits an dem Projekt, das intern als „Qwen Agent Multiverse“ bezeichnet werden soll. Ziel: Eine KI, die nicht nur antwortet, sondern agiert.

Alibaba will endlich direkt an die Konsumenten verdienen
Bisher war Alibabas KI-Strategie ein B2B-Modell: Rechenleistung, Modellzugriff, Cloudintegration. Das war solide, aber selten spektakulär. Die neue App markiert eine klare Verschiebung: Die Consumer-Ebene wird zur Monetarisierungsfront.
Qwen liegt bei der Popularität in China derzeit hinter ByteDance’s Doubao und Tencents Yuanbao – ein Rückstand, den Alibaba als potenziell gefährlichen Rückstand im Ökosystem betrachtet. Denn wer die KI-Gewohnheiten der Nutzer kontrolliert, kontrolliert langfristig auch die Datenströme – und damit die Werbeeinnahmen und Produktplatzierungen.
Deshalb soll Qwen zunächst kostenlos bleiben. Die App dient als Einstiegsdroge. Später soll sie zur Plattform für Premiumdienste werden – Sprachmodelle, Agenten, Plug-ins, Shopping-Tools. Das Modell erinnert frappierend an OpenAIs Consumer-Offensive, die das gesamte Branchenmodell in Bewegung gesetzt hat.
Die Börse zeigt: Die Anleger wollten genau dieses Signal
In den frühen Morgenstunden reagierte der heimische Markt deutlich: Die Alibaba-Aktie sprang im Donnerstagshandel um mehr als vier Prozent nach oben – ein seltener Moment des Aufatmens in einer monatelangen Phase der Schwäche. Die Frage, die viele Anleger beschäftigt: Markiert Qwen den technologischen Wendepunkt, den Alibaba dringend brauchte?
Denn während ByteDance und Tencent ihre KI-Produkte bereits tief in soziale Netzwerke und Spielewelten eingebettet haben, tat sich Alibaba lange schwer, aus seiner Handelslogik auszubrechen. Mit Qwen kommt nun erstmals ein Tool, das sowohl die E-Commerce-Stärke als auch die KI-Kompetenz des Konzerns verbindet – und diese Verbindung könnte entscheidend sein.
Ein riskanter Kurs – aber einer, der Alibaba zurück ins Zentrum des KI-Rennens bringt
Der Umbau von Tongyi zu Qwen ist kein kosmetisches Update, sondern der Versuch, den Zugang zum Endkunden neu zu erobern. Für Alibaba steht viel auf dem Spiel: Die großen chinesischen Plattformen konkurrieren nicht nur um Marktanteile, sondern um die technologische Vorherrschaft über die Nutzerinteraktion der Zukunft. Wer heute das KI-Nutzerverhalten prägt, sichert sich morgen die Plattformmacht.


