Der Schweizer Luxuskonzern Richemont wächst im ersten Halbjahr 2025/26 um zehn Prozent auf 10,6 Milliarden Euro und steigert den Nettogewinn nach einer früheren Milliardenabschreibung auf 1,81 Milliarden Euro. Die Zahlen liegen klar über den Analystenerwartungen – und werfen die Frage auf, wie nachhaltig dieser Aufschwung ist.
Richemont steigt ausgesprochen direkt ins neue Geschäftsjahr ein: zweistellige Umsatzzuwächse, ein Gewinn, der sich vervielfacht, und ein Markt, der überrascht zur Kenntnis nimmt, wie kraftvoll das Geschäft mit Schmuck und Uhren in einem wirtschaftlich nervösen Umfeld bleibt. Cartier läuft. IWC läuft. Und das Management in Genf liefert ein Zahlenwerk ab, das selbst erfahrene Luxusanalysten zweimal hinsehen lässt.

Die meisten Blicke der Finanzwelt richten sich auf eine Zahl: 1,81 Milliarden Euro Nettogewinn. Vor einem Jahr standen hier gerade einmal 457 Millionen – ein Unterschied, der allerdings nur in Teilen operativ erklärbar ist. Denn das Vorjahr war geprägt von einer Wertberichtigung über 1,3 Milliarden Euro im Zusammenhang mit Yoox Net-a-Porter (YNAP), jenem digitalen Sorgenkind, das Richemont lange im Portfolio mitschleppen musste. Die Bereinigung wirkt nun wie das Anziehen einer Handbremse, die den Konzern über Jahre ausgebremst hatte.
Ein Luxuskonzern nimmt wieder Fahrt auf
In Lokalwährungen klettert der Umsatz um zehn Prozent auf 10,6 Milliarden Euro. In einer Branche, die zuletzt einen Dämpfer erlebte – vor allem bei Mode und Kosmetik – ist das ein bemerkenswert solides Wachstum. Richemont bestätigt damit eine Entwicklung, die man seit Monaten beobachten kann: das Geschäft mit hochpreisigem Schmuck läuft stabil, weil die Kundschaft hier weniger zyklisch reagiert als in anderen Luxussegmenten.
Cartier, die mit Abstand wichtigste Marke im Konzern, bleibt die Ertragsmaschine. Die Nachfrage nach hochpreisigen Schmuckkollektionen zieht insbesondere in den USA und im mittleren Osten wieder an. Gleichzeitig profitieren die Uhrensparten – darunter IWC und Vacheron Constantin – von einem Markt, der sich nach einer deutlichen Korrektur in den vergangenen zwei Jahren langsam stabilisiert.
Die Analystenkonsensschätzungen wurden klar übertroffen: Visible Alpha hatte mit einem Gewinn von 1,72 Milliarden Euro gerechnet. Dass Richemont diese Marke nicht nur schlägt, sondern dabei auch keine außergewöhnlich starken Sondereffekte bemühen muss, unterstreicht die operative Robustheit des Konzerns.
Die strategische Großbaustelle YNAP – endlich beendet
Was in den Zahlen fast untergeht: Mit dem Abgang von YNAP hat Richemont ein Kapitel geschlossen, das die Investoren jahrelang irritierte. Die Wertberichtigung im Vorjahr war schmerzhaft, aber unvermeidbar. Seither wird die digitale Strategie neu geordnet, und das verschafft dem Konzern Luft – sowohl bilanziell als auch kommunikativ. In der Luxusbranche ist Glaubwürdigkeit ein Vermögenswert; das Management hat mit diesem Schritt einen Ballast abgelegt, der auch dem Markenimage schadete.

Nun steht Richemont mit einem klareren Portfolio da: konzentriert auf Schmuck und Haute Horlogerie, weniger angreifbar in margenschwachen Onlinebereichen und mit der Möglichkeit, stärker in Kernkategorien zu investieren.
Wie nachhaltig ist der Höhenflug?
Dass Richemont im ersten Halbjahr liefert, steht außer Frage. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie sich das operative Umfeld entwickelt. Der globale Luxusmarkt zeigt sich zweigeteilt: Während der Hochluxus – insbesondere Schmuck – robust bleibt, schwächelt das Einstiegs- und Mittelpreissegment. Zudem drückt die schwächere Nachfrage in China weiterhin auf Teile des Marktes.
Richemont ist gegen diese Entwicklungen besser geschützt als viele Wettbewerber, weil der Konzern kaum vom chinesischen Massenluxus abhängt. Gleichzeitig bleibt das geopolitische Umfeld ein Risikofaktor, insbesondere in Europa und im Mittleren Osten.
Für Analysten geht es nun vor allem darum, ob Richemont im zweiten Halbjahr die Dynamik halten kann – und wie stark der Konzern seine Kostenbasis unter Kontrolle hält. Der Luxusmarkt ist zwar weniger zyklisch, aber nicht unverwundbar.
Was bleibt: Richemont ist wieder Herr im eigenen Haus
Der Konzern hat ein schwieriges Kapitel beendet, ein starkes Halbjahr hingelegt und zeigt, dass echte Luxusgüter – Schmuck, Uhren, seltene Metalle – auch im Jahr 2025 eine verlässliche Größe bleiben. Die Zahlen sind gut. Die Botschaft dahinter ist besser: Richemont ist strategisch wieder klar positioniert.
Und genau das macht dieses Ergebnis bemerkenswerter als den reinen Gewinnsprung.



