Offener Schlagabtausch – Weidel kontra Moskau-Fraktion
Kaum ein Thema entzweit die AfD derzeit stärker als der Umgang mit Russland. Während Teile der Partei auf Annäherung setzen und Gespräche mit Moskau als „diplomatische Geste“ verstehen, versucht Parteichefin Alice Weidel, eine Eskalation zu verhindern.
„Ich kann nicht verstehen, was man da eigentlich soll“, sagte Weidel zu der geplanten Reise der Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Rainer Rothfuß nach Sotschi. Ihre Botschaft war eindeutig: keine parteipolitischen Soloflüge in einem der sensibelsten außenpolitischen Konfliktfelder Europas.
Doch der Versuch, die eigene Linie durchzusetzen, schlug schnell zurück. Matthias Moosdorf, selbst AfD-Abgeordneter, konterte auf X (vormals Twitter) öffentlich: „Schade! Ich weiß, warum man in Russland sein sollte. Politik ist keine Phrase. Sie ist die Tat!“ – ein direkter Angriff auf Weidel und ihr Krisenmanagement.
Die Spaltung zwischen Pragmatikern und Provokateuren
Der Streit um Russland ist nicht neu – doch selten trat er so offen zutage. Auf der einen Seite stehen Abgeordnete, die Russland als „natürlichen Partner Europas“ betrachten und sich gegen die westliche Sanktionspolitik stellen. Auf der anderen Seite: jene Kräfte, die um die politische Glaubwürdigkeit der AfD fürchten, sollte sie sich allzu offen mit dem Kreml solidarisieren.
Rainer Rothfuß, einer der geplanten Reisenden, zog seine Teilnahme nach „Gesprächen mit Kollegen“ zurück. Sein Mitstreiter Kotré hingegen hält an den Plänen fest – und riskiert damit parteiinterne Konsequenzen. Weidel drohte mit klaren Worten: Wer sich nicht an die vorgegebenen Regeln halte, müsse „die Konsequenzen tragen – bis hin zum Parteiausschluss“.
Erinnerung an alte Disziplinlosigkeiten
Die Affäre weckt Erinnerungen an den Fall Moosdorf selbst: Der Abgeordnete war bereits im Sommer unangemeldet nach Russland gereist – und wurde daraufhin mit einem Ordnungsgeld von 2.000 Euro und sechs Wochen Redezeitentzug sanktioniert. Dass gerade er nun gegen Weidel stichelt, zeigt, wie wenig Autorität die Fraktionsführung bei Teilen der Basis hat.
Weidel kündigte an, die Regeln für Auslandsreisen künftig zu verschärfen. Der Fraktionsvorstand solle künftig verbindlich über Inhalte, Teilnehmer und Ziele solcher Besuche entscheiden. „So können wir nicht weitermachen“, sagte sie – ein Satz, der mehr über den Zustand der Partei verrät als jede offizielle Stellungnahme.

Russland als Symptom, nicht als Ursache
Der aktuelle Streit ist mehr als eine Auseinandersetzung über Reisepläne. Er steht exemplarisch für den innerparteilichen Machtkampf zwischen realpolitischen Kräften und jenen, die in der AfD lieber eine fundamentaloppositionelle Bewegung sehen. Während Weidel versucht, die Partei regierungsfähig erscheinen zu lassen, wollen ihre Kritiker keine Distanz zur geopolitischen Provokation – im Gegenteil: Sie sehen darin ein Mittel, das eigene Profil zu schärfen.
Die Symbolik der Russlandreisen spielt ihnen in die Hände. In einem politischen Klima, in dem viele Wähler die „Einseitigkeit des Westens“ kritisieren, wirkt ein Besuch in Sotschi auf manche wie ein Zeichen der Eigenständigkeit. Für Weidel dagegen ist er eine Gefahr für die außenpolitische Glaubwürdigkeit – und ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zur Normalisierung der Partei.
Zwischen Machtanspruch und Selbstzerstörung
Hinter den Kulissen geht es längst um mehr als diplomatische Differenzen. Die Auseinandersetzung zeigt, wie schwierig es für Weidel geworden ist, Disziplin in einer Partei zu wahren, die sich ideologisch zunehmend divers aufstellt – und in der persönliche Profilierung oft wichtiger ist als strategische Geschlossenheit.
Die Russland-Frage fungiert dabei als Katalysator: Sie zwingt die Partei, Position zu beziehen – zwischen staatsmännischem Anspruch und populistischer Abgrenzung. Ob Weidel diesen Spagat übersteht, hängt davon ab, ob sie die Balance zwischen Führung und Freiheit halten kann. Noch wirkt es, als neige die Waage gefährlich in Richtung Kontrollverlust.


