Stillstand frisst Zuversicht
Seit Ende 2019 bewegt sich die deutsche Wirtschaft praktisch nicht mehr vom Fleck. Jetzt kommt die Quittung: Die Arbeitslosenquote lag im Juli bei 6,3 Prozent, fast drei Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Die Zahl offener Stellen ist seit Ende 2022 um 40 Prozent eingebrochen – und wächst nur noch im öffentlichen Dienst.
Unternehmen, die während der Pandemie noch Personal hielten, auch ohne volle Auftragsbücher, beenden nun dieses „Job-Horten“. Die Hoffnung, der Aufschwung stehe kurz bevor, ist vielerorts verflogen.
Vom Merkel-Wind zum Gegensturm
Jahrelang hatte Deutschland Rückenwind: niedrige Inflation, sinkende Arbeitslosigkeit, stabile Politik. Der Misery Index – Arbeitslosenquote plus Inflation – zeigte stetig nach unten. Es war die Ära, in der Angela Merkel den Wahlkampf mit dem Satz gewann: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“
Heute läuft alles in die andere Richtung. Erst schoss die Inflation in die Höhe, getrieben von Lieferengpässen, Energiepreisschock und Krieg in der Ukraine. Jetzt steigen die Jobverluste. In der Vergangenheit waren solche Phasen oft Vorboten politischer Umbrüche.
Industrie tritt auf die Bremse
Besonders hart trifft es die exportorientierte Industrie. Die USA drohen mit neuen Zöllen, Lieferketten bleiben fragil, und globale Risiken lassen viele Firmen vorsichtig werden. Manche verlagern Produktion ins Ausland, andere fahren ihr Geschäft zurück.

Neue Jobs entstehen – in Rüstungsfirmen, bei KI-Entwicklern, in Gesundheit und Pflege. Aber der „Mismatch“ wächst: Viele Arbeitssuchende passen nicht ins Anforderungsprofil. Die OECD warnt, dass weder Bildungssystem noch Einwanderungspolitik den Arbeitsmarkt fit für den Strukturwandel machen.
Gesellschaft am Kipppunkt
Das schlägt auf die Stimmung durch. Laut Eurobarometer sehen 56 Prozent die Lage in Deutschland als schlecht an, 60 Prozent meinen, das Land sei auf dem falschen Weg. Noch vor einem Jahr waren die Optimisten in der Mehrheit.
Jobverlust ist mehr als eine finanzielle Einbuße. Für viele ist es ein Einschnitt in die eigene Biografie – und wenn diese Angst zum Massenphänomen wird, verändert sie das politische Klima schneller, als Statistiken es abbilden können.
Mehr als ein Konjunkturproblem
Deutschland steckt noch nicht in einer klassischen Arbeitsmarktkrise. Aber die Kombination aus Dauerstagnation, strukturellen Brüchen und fehlender Qualifizierung ist brisant.
Bleibt die Antwort der Politik aus, wird die nächste Krise nicht von schwachen Exportzahlen kommen – sondern von einer Bevölkerung, die das Vertrauen in ihre wirtschaftliche Zukunft verliert.
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