Ein Klick, eine Blockchain, eine Mission
Coinbase will raus aus der Nische – und rein ins digitale Leben der Massen. Mit der Vorstellung der neuen „Base App“ verabschiedet sich die größte US-Kryptobörse nicht nur von ihrer Wallet, sondern läutet eine neue Strategie ein: weg vom bloßen Handel, hin zur Plattform für digitale Identität, Express-Zahlungen, Content-Monetarisierung und soziale Netzwerke – gebündelt in einer Anwendung.
Was in China mit WeChat längst Alltag ist, soll nun auch im Westen Realität werden. Doch der Angriff auf die dominanten Player im Zahlungsverkehr ist riskant.
Angriff aus der zweiten Reihe
Dass Coinbase überhaupt in diese Rolle schlüpft, ist bezeichnend: Während Meta, X und andere Tech-Giganten seit Jahren vergeblich versuchen, eine Super-App zu etablieren, nutzt Coinbase seine Blockchain-Infrastruktur und startet von einem ganz anderen Ausgangspunkt.
Die hauseigene „Base“-Blockchain soll zum Rückgrat des neuen Ökosystems werden – mit Transaktionskosten unter einem Cent und finaler Abwicklung in unter einer Sekunde. Technologisch ist das ambitioniert – und potenziell revolutionär.

USDC im Zentrum: PayPal und Visa könnten alt aussehen
Im Zentrum der App steht nicht Bitcoin oder Ethereum, sondern USDC, der Dollar-gebundene Stablecoin von Circle, an dem Coinbase über eine strategische Partnerschaft direkt mitverdient.
Über „Base Pay“, das in Kooperation mit Shopify entstand, sollen Kunden in wenigen Sekunden mit USDC zahlen können – derzeit bereits bei zehntausenden Händlern.
Ein Prozent Cashback für Nutzer ist geplant, was gerade in den USA ein attraktiver Anreiz sein könnte. Ziel: den Dollar ins Internet bringen, ohne Banken.
Identität ist die neue Währung
Ein weiteres Element: der „Base Account“ – eine Art Blockchain-ID für Nutzer. Coinbase will damit Identitäten dezentral verwalten und Zahlungen, Content-Nutzung und soziale Interaktion miteinander verknüpfen.
Das klingt nach Web3 und Dezentralisierung, ist in Wahrheit aber ein kalkulierter Vorstoß, um Kontrolle über ein eigenes Ökosystem zu gewinnen.
Wer den Account hat, bleibt bei Coinbase. Wer zahlt, zahlt mit USDC. Wer konsumiert, konsumiert über die App. Das erinnert nicht zufällig an Apples Strategie.
Risiken? Genug – aber auch Chancen
Die Strategie ist riskant. Coinbase war in der Vergangenheit zu stark vom spekulativen Kryptohandel abhängig – und erlitt damit in Bärenmärkten regelmäßig schmerzhafte Einbrüche.
Die neue App soll das Geschäftsmodell verbreitern, aber: Ob Nutzer tatsächlich bereit sind, Alltagszahlungen über eine Blockchain abzuwickeln, bleibt offen. Die meisten Kunden nutzen Stablecoins bislang nicht für ihren Einkauf bei Shopify.
Zudem hat der Kryptomarkt zuletzt regulatorischen Gegenwind bekommen – insbesondere in den USA.
Die Konkurrenz schläft nicht
PayPal, Apple Pay, Google Wallet – sie alle verfügen bereits über Millionen Nutzer, gewachsene Infrastruktur und etablierte Vertrauensverhältnisse. Coinbase muss nicht nur technisch überzeugen, sondern regulatorisch liefern, Sicherheitsbedenken zerstreuen und gleichzeitig den Nutzerkomfort von Apple & Co. übertreffen.
Dass JPMorgan bereits Projekte auf Base testet, ist zwar ein gutes Zeichen, aber noch kein Durchbruch. Auch Meta hatte mit Libra einst prominente Unterstützer – und scheiterte krachend.
Ein hochriskanter, aber strategisch kluger Zug
Coinbase denkt groß – und handelt entsprechend. Die Base App ist kein Update, sondern eine Kampfansage an die Finanzbranche. Sollte es gelingen, mit USDC tatsächlich eine Alltagswährung im Netz zu etablieren, wäre das ein echter Umbruch.
Für Anleger bleibt die Aktie damit ein spekulatives, aber strukturell spannendes Investment. Die Frage ist nicht mehr, ob Coinbase sich neu erfindet – sondern ob der Markt bereit dafür ist.
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