Zweimal Gläubigerschutz in fünf Jahren
Claire’s, die einstige Lieblingsadresse amerikanischer Teenager für Ohrlöcher, Glitzerketten und Handytaschen, steht erneut unter Gläubigerschutz – und diesmal könnte es endgültig sein.
Das Unternehmen meldete am Mittwoch Insolvenz an, nur fünf Jahre nach der letzten Rettungsaktion. Im Bundesstaat Delaware beantragte die Handelskette Schutz nach Chapter 11 des US-Konkursesystems – der Antrag listet sowohl Vermögenswerte als auch Verbindlichkeiten zwischen einer und zehn Milliarden US-Dollar auf.
Allein die Bandbreite zeigt: Es herrscht Unsicherheit – sowohl über den wahren Wert des Unternehmens als auch über das Ausmaß des Schuldenbergs. Die Zahl der Gläubiger? Zwischen 25.001 und 50.000. Ein untergehendes Schiff mit vollen Rettungsbooten.
Sinkende Nachfrage, schrumpfende Relevanz
Claire’s macht vor allem eines: Schuldige suchen. Der Hauptgrund für den Kollaps sei eine „nachlassende Nachfrage“, heißt es. Tatsächlich leidet der stationäre Einzelhandel seit Jahren unter dem Wandel zum Online-Shopping – besonders in Mode- und Accessoire-Bereichen.
Doch während andere Ketten wie H&M oder Zara massiv in Digitalisierung und Logistik investierten, blieb Claire’s beim alten Konzept: billiger Schmuck in pinken Filialen mit Zielgruppe „Teenage Girl“.
Der Zeitgeist ist allerdings längst weitergezogen. Nachhaltigkeit, Individualität und Online-Ästhetik dominieren den Jugendmarkt – nicht bunte Plastikclips. Und: TikTok ersetzt mittlerweile das Einkaufserlebnis im Einkaufszentrum.
Ein wachsendes Filialnetz, das niemand mehr braucht
Claire’s betreibt noch immer über 2750 Filialen in 17 Ländern – darunter auch in zahlreichen deutschen Shoppingmalls. Allein die bloße Masse dieser Standorte wirkt aus der Zeit gefallen.
Während Wettbewerber ihre Fläche verkleinern, hat Claire’s das Netz über die Jahre weiter gepflegt – und dabei auf einen Börsengang gesetzt, der nie kam. Im Juni 2023 zog man das IPO-Vorhaben kurzfristig zurück. Schon damals kursierten erste Spekulationen über stagnierende Umsätze und die Unfähigkeit, neue Zielgruppen zu erschließen.
Jetzt ist klar: Der Börsengang war wohl der letzte Versuch, Kapital zu beschaffen – bevor der Absturz kam.
Investorendämmerung bei Elliott und Monarch
Spannend ist auch, wer hinter Claire’s steht. Die Hedgefonds Elliott Management und Monarch Alternative Capital hatten sich nach der ersten Insolvenz 2018 massiv engagiert – in der Hoffnung auf ein Turnaround-Modell nach klassischem Private-Equity-Lehrbuch. Doch aus operativem Umbau wurde offenbar wenig. Statt Restrukturierung gab es pinkes Facelift, aber keine digitale Innovation.
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Die Beteiligung der aggressiven Finanzinvestoren wirft nun unangenehme Fragen auf: Wurde Claire’s wirklich langfristig saniert – oder lediglich auf maximale Exitfähigkeit getrimmt, die dann ausblieb?
Europa ist mit betroffen
Der Gläubigerschutz gilt zunächst für das US-Geschäft, doch auch europäische Filialen sind gefährdet. Die Pleite von Claire’s könnte Teil einer größeren Konsolidierungswelle im europäischen Einzelhandel sein.
Denn: Während sich Konsumgewohnheiten drastisch wandeln, stecken viele Filialisten in veralteten Verträgen und Konzepten. Claire’s ist kein Einzelfall, sondern ein Warnsignal.
Ein zweites Mal zu viel?
Dass ein Unternehmen in so kurzer Zeit zweimal in die Insolvenz rutscht, ist im amerikanischen Einzelhandel kein Einzelfall – aber dennoch ein Zeichen massiven Missmanagements. Vor allem, wenn dieselben Fehler wiederholt werden: kein Umbau der Strategie, zu hohe Ladenmieten, zu wenig Markenmodernisierung.
Ob Claire’s eine dritte Chance erhält? Zweifel sind angebracht. Und das nicht nur wegen der Zahlen – sondern wegen der fehlenden Idee, wofür die Marke heute noch stehen soll.
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