Keine Schiffe? BYD baut einfach selbst
Im Herbst 2022 sitzt Elon Musk in der Klemme. Tesla hat zu viele Autos gebaut, aber keine Möglichkeit, sie rechtzeitig auszuliefern. Die Transportkapazitäten sind ausgelastet, Autotransporter rar.
Die Folge: Zehntausende Fahrzeuge bleiben stehen. BYD, der ehrgeizigste Konkurrent aus China, beobachtet die Lage – und trifft eine Entscheidung, die die Branche aufrütteln wird.
Statt sich auf Reedereien zu verlassen, bestellt BYD eine eigene Flotte. Sieben Schiffe, gebaut für einen einzigen Zweck: Elektroautos in Serie um die Welt zu verschiffen.
Eigene Flotte, eigene Regeln
Heute, drei Jahre später, ist der Plan Realität. Die riesigen RoRo-Schiffe – Roll-on-Roll-off – fahren unter BYD-Flagge, lackiert in den Unternehmensfarben Rot und Weiß.
Der größte von ihnen, die „Shenzhen“, fasst mehr als 9.000 Fahrzeuge. Im Gegensatz zu klassischen Reedereien fährt BYD nicht viele kleine Routen – sondern beliefert gezielt einzelne Häfen mit massiver Ladung. Dann zurück. Leer, aber schnell.

Diese Strategie ist nicht nur ein logistischer Kraftakt – sie ist auch ein Signal: BYD will die Kontrolle über seine gesamte Lieferkette behalten. Und das beginnt nicht bei der Batterie. Sondern beim Hafen.
Von Bremerhaven bis Brasilien
Die Route der „Explorer No.1“, BYDs erstes eigenes Schiff, liest sich wie eine internationale Expansionskarte. Januar 2024: erste Fahrt nach Europa – Niederlande, Belgien, Deutschland. Mai: Brasilien. Weitere Stationen: Großbritannien, Spanien, Mexiko, der Mittlere Osten.
Die Flotte wächst mit dem Absatz. Allein in Brasilien steigen BYDs Verkaufszahlen innerhalb eines Jahres von 2.500 auf über 56.000 Fahrzeuge. In Europa verdreifachen sich die Verkäufe. Im April 2025 überholt BYD Tesla erstmals bei reinen Elektroautos in Europa – ein Wendepunkt.
Shuttle statt Stückgut
Während klassische Reedereien ihre Schiffe mit Fracht von verschiedenen Kunden vollstopfen, setzt BYD auf Effizienz: ein Hafen, volle Ladung, sofort raus. Laut dem norwegischen Logistikanalysten Stian Omli erinnert das an einen Shuttle-Service – nicht an herkömmliche Seefracht.

Für BYD ist das kein Selbstzweck. Die Chinesen nutzen jede Fahrt, um neue Märkte zu erschließen – oder alte zu dominieren. In Mexiko etwa legte die „Changzhou“ im Juni 2025 erstmals an. Einen Monat später kam das nächste Schiff. BYD hat zwar den Plan verworfen, dort eine Fabrik zu bauen. Aber verkaufen will man trotzdem. Und zwar schnell.
Alles selbst gemacht
Dass BYD diesen Schritt geht, passt zur Gesamtstrategie. Der Konzern stellt fast alle Komponenten seiner Fahrzeuge selbst her. Nur Reifen und Fenster werden zugekauft. Warum also beim Transport auf Dritte setzen?
Diese Unabhängigkeit spart nicht nur Geld – sie schafft Flexibilität. Wenn Zölle steigen, kann BYD sofort reagieren. Wenn sich Märkte öffnen, liefert die Flotte direkt. Das war besonders in der Zeit nach der Pandemie entscheidend, als Charterpreise für Autotransporter in astronomische Höhen stiegen – teilweise bis zu 125.000 Dollar am Tag.
Die Risiken sind real
Natürlich ist das Modell nicht ohne Risiko. Analysten wie Matthias Schmidt weisen darauf hin, dass viele der in Europa angelandeten Fahrzeuge noch gar nicht an Endkunden verkauft sind. Sie landen zunächst bei Händlern oder in Flotten. Die Folge: überfüllte Häfen, wachsende Lagerbestände. Und ein hoher Kostendruck, die Schiffe möglichst voll auszulasten.
Gleichzeitig normalisieren sich die Transportpreise wieder. Heute kostet ein gecharterter Autotransporter rund 50.000 Dollar am Tag – mit sinkender Tendenz. Für BYD heißt das: Die eigene Flotte muss sich nun rechnen. Sonst wird sie zur teuren Prestigefrage.
Noch mehr Schiffe, noch mehr Einfluss
BYD ist nicht allein. Auch andere chinesische Autobauer wie SAIC bauen eigene Frachter. Der chinesische Anteil an der weltweiten Car-Carrier-Flotte könnte bald bei 25 % liegen – Tendenz steigend. Ein bemerkenswerter Machtzuwachs in einer Branche, die bislang von europäischen und japanischen Reedereien geprägt war.
Aber BYD geht noch weiter. In Brasilien hat der Konzern ein neues Werk auf dem Gelände eines stillgelegten Ford-Werks eröffnet. In Ungarn und der Türkei entstehen neue Standorte für den europäischen Markt. Wo westliche Autobauer den Rückzug antreten, baut BYD auf.
Logistik wird zur Machtfrage
Was sich hier abzeichnet, ist mehr als nur ein neuer Wettbewerber. Es ist ein Paradigmenwechsel. BYD kontrolliert nicht nur den Bau, nicht nur die Batterie, nicht nur die Software – sondern bald auch das Schiff, das alles transportiert.
In einer Zeit, in der Handelspolitik wieder protektionistischer wird, sich globale Lieferketten verschieben und Märkte volatil bleiben, ist diese Unabhängigkeit Gold wert. Es ist eine Wette auf Tempo, Flexibilität und Durchsetzungskraft.
Europa, schau hin
Die Frage ist: Was machen die anderen? Tesla sucht noch nach Antworten. Die europäischen Hersteller? Vertrauen weiter auf ihre bewährten Logistiker. Währenddessen hat BYD längst die nächste Stufe gezündet.
Wer heute auf das BYD-Logo an einem Frachter blickt, sieht nicht nur ein Autounternehmen. Man sieht ein Konzernmodell der Zukunft – global, vertikal integriert, kompromisslos effizient.
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