Wachstum ohne Glanz
Unilever verkauft keine Träume, sondern Seife, Shampoo und Eiscreme – Dinge, die auch in Krisenzeiten gekauft werden. Genau das ist Stärke und Schwäche zugleich: Stabilität ja, Dynamik kaum. Der Konzern meldet für die ersten neun Monate 2025 einen Umsatzrückgang von 3,3 Prozent auf 44,8 Milliarden Euro. Doch hinter der nüchternen Zahl steckt ein Schönheitsfehler – das „bereinigte“ Plus von 3,6 Prozent ergibt sich nur, wenn man Währungs- und Portfolioeffekte ausblendet.
Das Management nennt es „solides organisches Wachstum“, Kritiker sehen eine Mogelpackung. Denn ohne positive Währungseinflüsse und kleinere Zukäufe wäre das Bild weniger freundlich.
Margen unter Druck
Die Inflation in Europa hat sich zwar abgeschwächt, doch höhere Rohstoffkosten, Verpackungspreise und gestiegene Löhne setzen Unilevers Margen weiter zu. Das Unternehmen reagiert mit Preiserhöhungen – und riskiert, dass Kunden zu günstigeren Marken greifen. Besonders in Asien und Lateinamerika haben Wettbewerber wie Nestlé oder lokale Eigenmarken Marktanteile zurückgewonnen.

In Indien und Indonesien wuchs Unilever zuletzt nur noch im niedrigen einstelligen Bereich, während Premiumprodukte in Europa stagnieren. Das organische Wachstum kommt daher vor allem aus Preisanpassungen, nicht aus Volumen. Mit anderen Worten: Der Umsatz steigt, weil alles teurer wird – nicht, weil mehr verkauft wird.
Die neue Strategie von CEO Hein Schumacher
Seit gut einem Jahr führt Hein Schumacher den Konzern. Sein Plan: weniger Bürokratie, mehr Fokus auf Kernmarken wie Dove, Magnum, Knorr und Hellmann’s. Gleichzeitig will er margenschwache Randsparten abstoßen – etwa Teile des Teegeschäfts. Doch die angekündigte „Vereinfachung“ bleibt ein Kraftakt: Unilever verwaltet über 400 Marken in über 190 Ländern, darunter viele, die kaum Wachstum liefern, aber Kosten verursachen.
Schumacher will „Klarheit und Geschwindigkeit“ in den Konzern bringen. Analysten loben die Richtung, zweifeln aber an der Umsetzung. Ein ehemaliger Manager bringt es gegenüber InvestmentWeek auf den Punkt:
„Unilever hat das Wissen, aber nicht die DNA für schnelle Entscheidungen.“
Konkurrenz schläft nicht
Während Unilever restrukturiert, nutzen Wettbewerber die Zeit. Procter & Gamble wächst dank starker Markenloyalität und aggressivem Marketing im Kerngeschäft schneller. Nestlé investiert in Premiumprodukte und Gesundheitssparte, Colgate-Palmolive punktet mit digitaler Effizienz. Unilever hingegen kämpft mit der eigenen Größe.
Die neue Führung will den Konzern „agiler“ machen – ein Wort, das in London inzwischen so oft fällt wie „Purpose“. Doch bislang fehlt der Beweis, dass es gelingt, die über Jahrzehnte gewachsene Konzernstruktur wirklich zu verschlanken.
Nachhaltigkeit bleibt Pflichtübung
Unilever gilt seit Jahren als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Doch das einst gefeierte ESG-Narrativ hat an Glanz verloren. Der Fokus auf ökologische Ziele wird zunehmend kritisch gesehen, wenn gleichzeitig operative Ergebnisse stagnieren. Anleger fragen: Wie viel „Purpose“ kann sich ein Unternehmen leisten, das bei Wachstum und Rendite hinterherhinkt?
Trotzdem bleibt Nachhaltigkeit Teil der Markenidentität. CEO Schumacher weiß: Wer heute nicht glaubwürdig grün ist, verliert morgen das Vertrauen der Konsumenten – und der Investoren.
Blick nach vorn
Für das Gesamtjahr 2025 peilt Unilever ein organisches Umsatzwachstum von drei bis fünf Prozent an. Das wäre solide – aber kein Befreiungsschlag. Anleger dürften vor allem auf die Margenentwicklung im vierten Quartal achten. Die entscheidende Frage lautet: Gelingt es Unilever, Wachstum ohne weitere Preisspirale zu erzeugen?
An den Börsen reagierten Investoren bislang verhalten. Die Aktie notierte am Donnerstagvormittag nahezu unverändert. Kein Vertrauensverlust – aber auch kein Aufbruchsignal.

