JD.com steigt im dritten Quartal kräftig im Umsatz – und verliert gleichzeitig massiv an Profitabilität. Kaum ein anderes Unternehmen verkörpert derzeit so eindrücklich das Grundproblem des chinesischen Onlinehandels: Wachstum lässt sich kaufen, Marge nicht.
Umsatz explodiert, Gewinn implodiert
Die Zahlen sprechen für sich. Der Konzern meldet einen Umsatzsprung von 14,9 Prozent auf 299,1 Milliarden Yuan, rund 40 Milliarden Euro. Das liegt komfortabel über den Erwartungen der Analysten. Möglich wurde das durch aggressive Preissenkungen und staatliche Subventionen, die JD.com schon seit Monaten nutzt, um Kundschaft von Alibaba und Pinduoduo abzuwerben.

Doch die Rechnung dafür fällt eindeutig aus: Der den Aktionären zurechenbare Nettogewinn stürzt um mehr als die Hälfte auf 5,3 Milliarden Yuan ab. Der Konzern investiert massiv – in Logistik, internationale Expansionsprojekte und neue Geschäftsfelder, die erst in einigen Jahren nennenswerten Cashflow liefern sollen.
Der internationale Hunger kostet – sofort
JD.com will sich nicht länger mit 1,4 Milliarden Kunden im Heimatmarkt zufriedengeben. Mit der Übernahme von Ceconomy, der Mutter von MediaMarkt und Saturn, hat das Unternehmen endgültig gezeigt, dass es Europa ernst meint. Doch der Preis dafür ist hoch. Die Integration eines etablierten Elektronikriesen kostet Kapital, Managementkapazität und zwingt JD.com zu parallelen Logistikinvestitionen auf beiden Kontinenten.
In den Büchern schlägt sich das sofort nieder. Der Gewinn halbiert sich – ein Warnsignal für Anleger, die gehofft hatten, JD könne seine internationale Expansion ähnlich effizient skalieren wie das heimische Kerngeschäft.

Preiskampf als Wachstumsmodell
Der chinesische E-Commerce-Markt ist ein Schlachtfeld. JD.com setzt voll auf Rabatte, Blitzverkäufe und staatlich geförderte Preisaktionen. Diese Strategie wirkt – mehr Kundschaft, höhere Bestellvolumina, wachsende Marktanteile. Doch nachhaltig ist das Modell nicht. Ohne massive Preiszugeständnisse würde das Wachstum sofort einbrechen. Und in einem Umfeld, in dem Konsumenten sparen und die Konkurrenz nicht nachlässt, bleiben die Margen auf der Strecke.
Der Preiskampf ist längst strukturell. Vor allem PDD Holdings mit seinem Billigportal Temu treibt die Preise in Europa und den USA nach unten. JD.com will verhindern, dass die eigenen Marken verwässern – und nimmt dafür bewusst sinkende Gewinne in Kauf.
Dennoch steigt die Aktie – warum?
Im vorbörslichen US-Handel legt die JD.com-Aktie über drei Prozent zu. Das wirkt widersprüchlich. Doch Anleger hatten Schlimmeres erwartet. Entscheidend ist: Der Umsatz übertrifft die Analystenschätzungen deutlich, und der Konzern signalisiert, dass er die Expansion bewusst vorantreibt – nicht aus Not, sondern aus strategischem Kalkül. Der Markt honoriert Wachstum und interpretiert sinkende Gewinne als temporären Effekt.
Hinzu kommt die politische Komponente: Staatliche Subventionen für den Onlinehandel bleiben in China ein wichtiges Instrument zur Konjunkturstützung. Solange diese Gelder fließen, bleiben Unternehmen wie JD.com nach unten abgesichert.
Der große Test steht erst bevor
Die wahre Bewährungsprobe liegt noch vor JD.com: Kann der Konzern im Ausland jene Effizienz erreichen, die ihn im Heimatmarkt großgemacht hat? Kann ein Geschäftsmodell, das auf extrem kurzer Lieferzeit, hoher Automatisierung und Markenkontrolle basiert, in Europa langfristig bestehen? Und vor allem: Wann kehrt JD.com wieder zur Ertragsstärke zurück?



