Hoffnungsträger ohne Ware
Kaum hatte Nvidia-Chef Jensen Huang am Montag feierlich die Wiederaufnahme der Chip-Exporte nach China verkündet, kam auch schon die Ernüchterung: Die Lager sind leer, die Produktionslinien weg – und neue Chips brauchen Zeit.
Laut dem renommierten Tech-Portal The Information wurden Nvidias chinesische Kunden informiert, dass es mit frischem Nachschub an H20-Prozessoren so schnell nichts wird.
Neun Monate, so heißt es intern, könnte die Wiederaufnahme der Fertigung dauern. In der Welt der Hochleistungs-KI ist das eine Ewigkeit.
Verlagerte Kapazitäten bei TSMC
Der Grund für die Misere liegt nicht nur bei Nvidia. Der taiwanische Auftragsfertiger TSMC, bei dem die H20 ursprünglich in Serie gehen sollten, hat laut Berichten die geblockten Fertigungslinien freigegeben – und für andere Kunden umfunktioniert.
Eine Entscheidung mit Folgen: Wer heute Chips bei TSMC produzieren will, steht hinten an. Selbst für einen Kunden mit dem Gewicht Nvidias gilt das Gesetz der Schlange. In einer Welt knapper Ressourcen entscheidet Timing – und den hat Nvidia offenbar verpasst.
US-Regierung als Taktgeber
Die Chipkrise im China-Geschäft ist auch eine direkte Folge geopolitischer Machtspiele. Die US-Regierung hatte die Ausfuhr von Hochleistungs-KI-Chips wie der H100-Reihe untersagt, um Chinas Vorsprung im Bereich künstlicher Intelligenz zu bremsen.

Der H20 war Nvidias kreative Antwort auf die Exporthürden – ein Hochleistungsprozessor, gerade so unter der Schwelle der Sanktionen. Doch auch dieser wurde im April gestoppt – bis ein erneuter Deal zwischen Washington und Peking Anfang Juli den Weg wieder freimachte.
Nur: Die Produktionsinfrastruktur war zu diesem Zeitpunkt längst anderweitig vergeben.
China bleibt abhängig
Für China bedeutet der Engpass einen empfindlichen Dämpfer. In Zeiten, in denen generative KI als Schlüsseltechnologie für wirtschaftliche und strategische Souveränität gilt, ist der Zugriff auf geeignete Chips von existenzieller Bedeutung.
Eigene Anbieter wie Huawei oder die staatlich unterstützte SMIC kommen technologisch bislang nicht annähernd an das Leistungsniveau von Nvidia heran. Das Reich der Mitte bleibt vorerst abhängig – und verwundbar.
Was Nvidia jetzt droht
Für Nvidia ist das mehr als nur ein operatives Problem. China war bis 2022 der zweitgrößte Absatzmarkt des Konzerns. Mit dem KI-Boom keimte Hoffnung auf eine neue Wachstumsstory – mit speziell angepassten Chips, regulatorisch abgesichert und wirtschaftlich vielversprechend.
Doch nun droht ein Déjà-vu: Ein hochregulierter Markt, ein blockierter Lieferweg und Kunden, die monatelang auf die Technik warten müssen, mit der sie im globalen Wettbewerb bestehen wollen.
Nvidia riskiert damit nicht nur kurzfristige Umsatzeinbußen, sondern auch langfristig das Vertrauen seiner chinesischen Partner.
Die Ruhe vor dem Sturm
Noch äußert sich Nvidia offiziell nicht. Kein Dementi, kein Versprechen – nur Schweigen. Das dürfte auch daran liegen, dass man in Santa Clara derzeit fieberhaft an Notlösungen arbeitet.
Denkbar wäre etwa ein Umschwenken auf andere, weniger ausgelastete Foundries oder ein aggressives Re-Scheduling bei TSMC. Doch solche Maßnahmen haben ihren Preis – und brauchen Zeit.
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