Der Kurssturz kam trotz besserer Umsätze. Nike meldet ein solides zweites Geschäftsquartal, doch die Aktie bricht nachbörslich um bis zu zehn Prozent ein. Der Grund liegt nicht im Absatz, sondern in der Marge. Was an der Oberfläche nach operativer Stabilisierung aussieht, offenbart darunter ein Geschäftsmodell im Umbau – teuer, riskant und noch ohne Beweis, dass es funktioniert.
Der Umsatz hält, die Ertragskraft bröckelt
Mit 12,4 Milliarden Dollar Umsatz übertraf Nike die Erwartungen der Analysten leicht. Besonders Laufschuhe entwickelten sich robust, ein Segment, auf das der Konzern zuletzt wieder stärker setzt. Doch der Blick auf die Ertragsseite relativiert den Erfolg.
Die Bruttomarge sank im Berichtsquartal um 300 Basispunkte, nachdem sie im Vorquartal bereits um 320 Basispunkte gefallen war. Damit setzt sich ein Trend fort, der Investoren zunehmend nervös macht. Nike verkauft – aber zu schlechteren Konditionen. Rabatte, höhere Kosten und ein veränderter Vertriebsmix drücken auf die Profitabilität.
Der Strategiewechsel kostet mehr als erwartet
Konzernchef Elliott Hill hat dem Unternehmen eine klare Richtung vorgegeben. Weg von modischen Experimenten, zurück zu Kernsportarten wie Laufen und Basketball. Dazu eine Straffung des Sortiments, neue Produktlinien und eine stärkere emotionale Aufladung der Marke.
Doch dieser Kurswechsel ist teuer. Nike investiert massiv in Marketing, um Relevanz und Begehrlichkeit zurückzugewinnen. Branchenexperten rechnen damit, dass die Marketingausgaben bis 2026 auf über fünf Milliarden Dollar steigen könnten. Für einen Konzern, dessen Margen ohnehin unter Druck stehen, ist das eine erhebliche Belastung.
Die Logik dahinter ist nachvollziehbar: Mehr Marketing soll höhere Nachfrage und langfristig bessere Preissetzungsmacht bringen. Kurzfristig aber verschärft es genau das Problem, das Anleger umtreibt – sinkende Gewinne.
Der Großhandel kehrt zurück und drückt die Marge
Ein weiterer Belastungsfaktor ist die Vertriebspolitik. Nike hatte in den vergangenen Jahren stark auf den Direktvertrieb gesetzt, um Margen zu steigern und Kundendaten besser zu kontrollieren. Nun rudert der Konzern zurück und weitet den Verkauf über den Großhandel wieder aus.
Der Grund ist simpel: Marktanteile. Wettbewerber wie Hoka oder On gewinnen Terrain, insbesondere im Laufsport. Um gegenzusteuern, braucht Nike Reichweite – und die liefern klassische Handelspartner schneller als der eigene Onlinekanal.
Der Preis dafür ist hoch. Großhandel bedeutet geringere Margen, weniger Kontrolle über Preisgestaltung und stärkere Abhängigkeit vom Handel. Der Rückgang der Bruttomarge spiegelt diese Verschiebung deutlich wider.
Die Konkurrenz ist jünger und agiler
Nike kämpft nicht mehr nur mit Adidas. Neue Marken haben sich erfolgreich zwischen Performance und Lifestyle positioniert. Hoka punktet mit maximal gedämpften Laufschuhen, On mit Design und Technologie. Beide sprechen genau jene Zielgruppen an, die Nike lange als gesetzt betrachtete.

Der Konzern reagiert mit neuen Produkten und Kooperationen. Eine der auffälligsten ist die Partnerschaft mit der Marke von Kim Kardashian. Sie soll neue Zielgruppen erschließen und die Marke modernisieren. Ob das im harten Wettbewerb der Performance-Segmente hilft, bleibt offen.
Die Börse glaubt noch nicht an die Wende
Die Reaktion der Aktie zeigt, wie skeptisch Investoren sind. Umsatzüberraschungen reichen nicht mehr. Entscheidend ist die Frage, wann und ob Nike seine Margen stabilisieren kann. Der Markt signalisiert klar: Wachstum ohne Profitabilität überzeugt nicht.
Analysten wie Mari Shor von Columbia Threadneedle sehen den Marketingfokus zwar als positives Zeichen. Er zeige Vertrauen in das Produkt. Gleichzeitig sei er aber auch ein Eingeständnis, dass Nike investieren muss, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Das ist eine höfliche Umschreibung für strukturellen Anpassungsdruck.
Elliott Hills Spielraum ist begrenzt
Hill hat die Strategie klar formuliert, doch sein Zeitfenster ist eng. Jeder weitere Margenrückgang erhöht den Druck. Der Kapitalmarkt ist bereit, eine Übergangsphase zu akzeptieren – aber nicht auf unbestimmte Zeit.
Nike muss beweisen, dass höhere Marketingausgaben, ein breiterer Vertrieb und neue Produkte nicht nur Umsatz, sondern auch operative Hebel erzeugen. Gelingt das nicht, droht aus der Trendwende eine dauerhafte Margenerosion zu werden.
Die Aktie spiegelt den Zweifel wider
Der Kursrückgang ist weniger ein Urteil über das Quartal als über den Weg nach vorn. Nike steht an einem Punkt, an dem die Marke allein nicht mehr reicht. Die Stärke des Namens verschafft Zeit, aber keine Garantie.
Die Börse verlangt einen klaren Beweis, dass der Konzern wieder zu alter Ertragskraft zurückfinden kann. Bis dahin bleibt die Aktie anfällig – selbst bei besseren Umsätzen.
Nike investiert in seine Zukunft. Doch der Preis dafür ist hoch, und die Geduld der Anleger begrenzt.

