Der renommierte Wahlrechtsexperte Robert Vehrkamp hat nach den jüngsten Erfahrungen bei der Bundestagswahl einen kontroversen Vorschlag unterbreitet: Eine Reform des Verfahrens zur Bestimmung erfolgreicher Direktkandidaten in den 299 Wahlkreisen. Sein Ziel ist es, das Auftreten von Überhangmandaten zu verhindern und dennoch jedem Wahlkreis einen klar legitimierten Direktkandidaten zu gewährleisten. Nach Ansicht Vehrkamps sollte derjenige den Wahlkreis gewinnen, der die meisten durch Zweitstimmen gedeckten Erststimmen erhält. Kandidaten ohne eine solche Zweitstimmendeckung hätten bei der Vergabe des Direktmandats das Nachsehen.
Vehrkamp, ein Experte der Bertelsmann Stiftung, betonte die Bedeutung der Zweitstimmendeckung als Kern des aktuellen Wahlrechts. Diese solle nicht infrage gestellt werden, um erneute Diskussionen über Überhang- und Ausgleichsmandate zu vermeiden. Zugleich stellte er klar, dass die Zweitstimmen abwärts geprüft werden sollen, bis ein Kandidat mit ausreichender Zweitstimmendeckung identifiziert ist.
Der politische Hintergrund dieser Vorschläge ist klar: Bei der kürzlichen Bundestagswahl erhielten 23 erfolgreiche Direktkandidaten kein Mandat im Bundestag. Besonders betroffen war in Bayern die CSU, wo aufgrund des neuen Wahlrechts und dem Ausschluss von Überhangmandaten drei ihrer Politiker trotz gewonnener Direktmandate außen vor blieben. Diese Kandidaten erzielten nicht genügend Zweitstimmen, was zu einem unbesetzten Platz führte. Diese Problematik war beim alten Wahlrecht durch Ausgleichsmandate vermieden worden.
Der "Spiegel" berichtete, dass in der Mehrheit der betroffenen Wahlkreise die Kandidaten über Landeslisten in das Parlament einzögen, während vier Wahlkreise ohne direkte Vertretung blieben. Vehrkamp sieht dies nicht als dramatisch, jedoch als einen psychologischen Makel, den man beheben sollte. Es sei eine angedachte Lösung, einen Wahlkreis vom benachbarten Wahlkreis betreuen zu lassen, was organisatorisch handhabbar erscheint.