10 % weniger Gewinn – und kein Grund zur Panik?
Nestlé verdient weniger, aber sieht keinen Grund zur Kurskorrektur. Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern aus dem schweizerischen Vevey meldet für das erste Halbjahr 2025 einen Gewinnrückgang von 10,3 % auf 5,07 Milliarden Franken. Trotzdem hält das Unternehmen an seiner Jahresprognose fest – ein Signal an den Markt: Das ist keine Krise, das ist Kalkül.
Denn trotz Belastungen durch gestiegene Rohstoffpreise und deutlich höhere Marketingkosten blieb das operative Geschäft stabiler als befürchtet. Vor allem eine disziplinierte Preispolitik sorgte dafür, dass das organische Umsatzwachstum mit 2,9 % leicht über den Erwartungen lag.
Maggi, Nespresso und KitKat: Marken kosten – aber sie verkaufen sich
Dass Nestlé auf die Bremse tritt, ist nicht zu übersehen. Die bereinigte operative Marge sank im Vergleich zum Vorjahr von 17,4 % auf 16,5 %. Ursache sind vor allem höhere Investitionen in Werbung und Innovation – ein Trend, der sich bei vielen Konsumgüterkonzernen beobachten lässt.
Nestlé erklärt die steigenden Marketingausgaben mit dem zunehmenden Wettbewerb, auch im Bereich pflanzenbasierter Produkte, Functional Food und Snacks. Die Botschaft: Wer an der Markenpräsenz spart, spart an der falschen Stelle. Im Zweifel lieber weniger Marge, dafür mehr Markentreue.
Wachstum durch Preisdurchsetzung, nicht durch Volumen
Das Wachstum von 2,9 % beim organischen Umsatz basiert fast ausschließlich auf Preiserhöhungen. In vielen Segmenten schrumpften die Absatzmengen leicht. Nestlé gelingt es aber, höhere Einkaufskosten an die Verbraucher weiterzugeben – bislang ohne größeren Widerstand.
Ein riskantes Spiel, das funktioniert, solange Marken wie Nescafé, Maggi oder KitKat in ihrer Kategorie gesetzt sind. Doch der Preisspielraum ist nicht unendlich – und Verbraucher reagieren sensibler als noch vor ein paar Jahren. Für den Moment jedoch scheint Nestlé mit seiner Strategie durchzukommen.
Analysten bleiben gelassen – vorerst
Die Zahlen trafen die Markterwartungen ziemlich genau. Analysten hatten mit einem Halbjahresgewinn von 5,06 Milliarden Franken gerechnet – am Ende waren es 5,07. Auch das organische Wachstum liegt leicht über dem prognostizierten Wert von 2,8 %.
Die Bestätigung des Ausblicks – ein Umsatzwachstum über dem Vorjahreswert von 2,2 % sowie eine Marge von mindestens 16 % – kommt beim Kapitalmarkt gut an. Kein Feuerwerk, aber auch keine Enttäuschung. Die Nestlé-Aktie reagierte entsprechend ruhig.
Längerfristige Fragen bleiben
Trotz der aktuellen Stabilität steht Nestlé strategisch vor wichtigen Entscheidungen. Der Konzern muss seine Produktpalette weiter transformieren – weg von zuckerhaltigen Snacks, hin zu gesundheitsorientierten, nachhaltigen und funktionalen Lebensmitteln.
Zwar wächst Nestlé bereits in Segmenten wie Tiernahrung, Nahrungsergänzung und medizinischer Ernährung. Aber ob diese Bereiche das stagnierende Massengeschäft langfristig kompensieren können, bleibt offen. Der Umbau ist anspruchsvoll – und teuer.
Was zwischen den Zeilen steht
Dass Nestlé derzeit massiv in Werbung investiert, zeigt auch: Die Marken müssen härter arbeiten, um relevant zu bleiben. Die Zeiten, in denen sich ein Maggi-Logo von selbst verkauft hat, sind vorbei. Verbraucher sind preissensibler, anspruchsvoller – und längst nicht mehr so loyal.
Gleichzeitig baut Nestlé an seiner Infrastruktur – in Forschung, in Logistik, in Digitalisierung. Das drückt kurzfristig auf die Marge, soll aber mittel- bis langfristig Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit sichern. Ein Balanceakt, der Geduld und Kapital verlangt.
Vevey spielt auf Zeit – und auf Vertrauen
Nestlé bleibt sich treu: konservativ im Ton, vorsichtig im Ausblick, solide im Ergebnis. Der Rückgang des Gewinns ist keine Schockmeldung – aber ein Hinweis darauf, dass auch Giganten nicht immun sind gegen Kosteninflation, Strukturwandel und Konsumdruck.
Wie lange das Modell noch trägt, hängt davon ab, wie konsequent Nestlé sich neu erfindet – und ob das Management weiter das Vertrauen der Märkte behält.
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