Frankfurt, 30 Euro kalt: Wie Möbel Mietrecht aushebeln
Lila Samtsofa, Beistelltisch vom Möbeldiscounter, Smart-TV aus dem Sonderangebot – fertig ist das Mietobjekt mit „Luxusausstattung“. Für eine Einzimmerwohnung in München ruft der Anbieter knapp 30 Euro pro Quadratmeter auf – ohne Nebenkosten.
Möglich macht das ein juristisches Schlupfloch: die sogenannte „möblierte Vermietung auf Zeit“. Was wie eine Ausnahme für Pendler und Projektarbeiter begann, hat sich in deutschen Großstädten zum milliardenschweren Geschäftsmodell entwickelt – und greift tief in den Mietmarkt ein.
Jetzt will die Bundesregierung diese Praxis einschränken. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag auf neue Regeln geeinigt. Ziel: eine stärkere Kontrolle der Möblierungszuschläge – und ein klarer Schnitt zwischen Wohnungsbedarf und Renditeoptimierung.
Die InvestmentWeek hat die Daten ausgewertet und zeigt, wo der Markt besonders betroffen ist – und was sich künftig ändern könnte.
Jede dritte Wohnung ist bereits möbliert – in Frankfurt sogar fast jede zweite
Laut Zahlen von Immobilienscout24 lag der Anteil möblierter Mietangebote in den fünf größten deutschen Städten Ende 2023 bei rund einem Drittel. In Frankfurt waren es sogar 41 %.
In Berlin 35 %, in München rund 30 %. Das bedeutet: In vielen Vierteln haben Mieter kaum noch die Wahl zwischen regulärem Wohnen und befristetem „Wohnen auf Zeit“. Die Preisunterschiede sind dabei erheblich.
Nach Berechnungen des Analysehauses Empirica lag der bundesweite Durchschnittspreis für möbliertes Wohnen im ersten Halbjahr 2024 bei 29,50 €/m² – rund 60 % über der regulären Angebotsmiete in Neubauten der Großstädte (18,33 €/m²).

Die Preisaufschläge entstehen dabei nicht nur durch das Mobiliar, sondern auch durch undurchsichtige Pauschalen für WLAN, Service oder Reinigung – häufig ohne Einzelaufstellung.
Rechtslücke oder Geschäftsmodell?
Der rechtliche Rahmen ist bislang schwammig. Zwar gilt auch bei möblierten Mietverträgen grundsätzlich die Mietpreisbremse. Doch für Möbel dürfen Zuschläge erhoben werden – ohne, dass deren Höhe exakt angegeben oder begründet werden muss.
Für Mieter bedeutet das: Die tatsächliche Miethöhe ist kaum zu prüfen, ein Rechtsstreit oft aussichtslos. Für Vermieter hingegen ist die Rechnung simpel: Einmalige Möblierungskosten – langfristig höhere Mieteinnahmen.
„Möblierte Wohnungen sind zur Umgehungsstrategie geworden“, sagt Gesa Crockford, Geschäftsführerin von Immobilienscout24.
Besonders kritisch sei, dass die Zuschläge selten transparent gemacht würden. Der Deutsche Mieterbund fordert deshalb eine Pflicht zur Offenlegung – bislang ohne Erfolg.
Wer braucht eigentlich diese Wohnungen?
Die Nachfrage nach befristetem Wohnen ist real – sie speist sich aus Dienstreisen, Projektverträgen, der steigenden Zahl mobiler Arbeitskräfte. Für Geschäftsleute, Monteure oder Expats kann möbliertes Wohnen günstiger als ein Hotel sein. Doch was ursprünglich als Nischenlösung gedacht war, hat sich in vielen Städten zur dominierenden Angebotsform entwickelt – teils zum Nachteil regulärer Mieter.

In München und Frankfurt etwa sinkt das Angebot klassischer Mietwohnungen im unteren und mittleren Preissegment kontinuierlich – während das Segment „möbliert auf Zeit“ boomt. In Berlin führt das in beliebten Bezirken bereits zu einer Art Entmischung: Wer dauerhaft wohnen will, muss ins Umland ausweichen.
Was plant die Politik – und was bedeutet das konkret?
Die neue Bundesregierung will nun gegensteuern. Künftig sollen Möblierungszuschläge im Mietvertrag verpflichtend ausgewiesen werden. Zudem soll die Befristung nicht länger automatisch eine Ausnahme von der Mietpreisbremse rechtfertigen. Auch eine Begrenzung der Zuschläge auf objektiv nachvollziehbare Werte steht im Raum – ähnlich der bei Staffelmieten üblichen Orientierung an Möbelwert und Abnutzung.
Damit könnte ein Geschäftsmodell ins Wanken geraten, das auf Intransparenz basiert. Für institutionelle Anbieter, die ganze Wohnblöcke möbliert vermieten, wäre das ein empfindlicher Einschnitt. Für private Vermieter, die gelegentlich möblierte Zimmer vermieten, dürften die neuen Regeln hingegen kaum problematisch sein.
Kritik von Eigentümerverbänden
Der Verband „Haus & Grund“ warnt vor Überregulierung. Präsident Kai Warnecke sieht in der Möblierung einen legitimen Service für eine veränderte Lebensrealität:
„Viele Menschen wollen kurzfristig, flexibel und mit geringem Aufwand wohnen. Das darf politisch nicht skandalisiert werden.“
Eine stärkere Regulierung sei kontraproduktiv und behindere moderne Wohnkonzepte.
Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Während klassische Mietverträge stagnieren, steigt das Angebot möblierter Wohnungen kontinuierlich – und mit ihm der Preisdruck.
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