21. Juli, 2025

Milka oder Mondelez? Wie aus einer Kultmarke ein Keks-Spender wurde

Der einstige Schokoladenklassiker Milka ist zur Werbelüge des Jahres gewählt worden – zu Recht. Mit Schrumpfverpackung, Zuckerbomben im XXL-Format und einem Markenmix à la Fast-Food-Kette verliert die lila Kuh ihre Identität.

Milka oder Mondelez? Wie aus einer Kultmarke ein Keks-Spender wurde
Verpackung gleich, Inhalt weniger: Milka schrumpft die Tafel von 100 auf 90 Gramm – und erhöht gleichzeitig den Preis.

Schrumpfen, strecken, zuckern

100 Gramm? Nicht mehr. Mondelez hat die Standardtafel Milka Alpenmilch Anfang des Jahres heimlich von 100 auf 90 Gramm reduziert – bei gleichbleibendem Preis.

logo!: Größte Werbelüge des Jahres
Der Preis “Goldene Windbeutel” von Foodwatch kürt die “Dreisteste Werbelüge des Jahres” und gewonnen hat: Die Alpenmilch-Schokolade von Milka.

Der Inhalt schrumpft, die Verpackung bleibt gleich groß. Das nennt sich offiziell "Shrinkflation", auf gut Deutsch: Kunden werden für dumm verkauft. Für diese Irreführung gab’s nun den „Goldenen Windbeutel“ von Foodwatch – der Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres.

Dabei trifft es ausgerechnet das Herzstück der Marke. Die puristische Alpenmilch-Tafel, einst das Aushängeschild für zarte Schokolade mit Qualitätsanspruch, wird so zum Symbol eines Kulturbruchs. Statt Alpenidylle gibt’s jetzt industrielle Mogelpackung mit Marketingschleife.

Markenclash statt Geschmackskunst

Dass Mondelez bei Milka inzwischen lieber Kekse, Luft und Karamellcremes einrührt als Kakao, ist kein Zufall. Im XXL-Regal drängeln sich Sorten wie „Milka mit Oreo“, „Milka mit Daim“, „Milka mit LU-Butterkeks“ oder „Milka Luflée“.

Ein Sturm aus Zucker, Soße, Luftbläschen und Co-Branding. So schmeckt also die Globalisierung: laut, bunt, süß – aber ohne Substanz.

Die Strategie erinnert frappierend an das, was McDonald’s mit seinem McFlurry gemacht hat: Markenjunkie trifft Eiscreme. Nur dass Milka dabei ihre eigene Identität opfert. Wo einst alpine Handwerksromantik suggeriert wurde, regiert nun der Zuckerclash.

Die lila Kuh als Markenhülle

Was bleibt von Milka? Eine Hülle, eine lila Farbe, ein Gefühl von früher. Der Rest ist ein austauschbares Zuckerprodukt im internationalen Konzernportfolio. Der US-Konzern Mondelez nutzt die hohe Markenbekanntheit, um Konsumenten still und schleichend an immer neue Kombinationsprodukte zu gewöhnen.

Zucker vor Schokolade: Statt purer Alpenmilch setzt Milka vermehrt auf massentaugliche Mixsorten mit Keks, Luft und Karamell.

Der Inhalt zählt weniger als das Logo – und das kommt vielen bekannt vor, die den Niedergang anderer europäischer Traditionsmarken miterlebt haben.

Was bei Milka verkauft wird, ist nicht mehr das Produkt, sondern das nostalgische Markenimage. Es erinnert an das unrühmliche Ende von Opel, als General Motors den Namen noch nutzte, aber längst keine klare Marke mehr darunter existierte.

Preise explodieren, Qualität implodiert

Während der Preis für Kakao sich an den Rohstoffbörsen innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt hat, reagiert Milka nicht etwa mit Transparenz oder Qualitätsoffensive. Stattdessen: günstigere Füllstoffe, gestreckte Tafeln, lauter Auftritt. Das mag kurzfristig die Marge retten – langfristig aber schadet es der Glaubwürdigkeit.

Ritter Sport hingegen geht den entgegengesetzten Weg: Klar deklarierte Preiserhöhungen, ehrlicher Fokus auf Kakaoqualität, Transparenz bei Inhaltsstoffen. Auch Lindt oder Zotter halten ihre Markenkerne bewusst rein. Milka dagegen läuft Gefahr, in der Masse beliebiger Zuckersnacks unterzugehen.

Mondelez als Beispiel für schleichende Markenzerstörung

Der Fall Milka ist kein Einzelfall – sondern ein Lehrstück dafür, wie Großkonzerne globale Marken instrumentalisieren. Nicht für Geschmack. Nicht für Qualität. Sondern als Vehikel für Cross-Selling und Margensicherung. Die „zarteste Versuchung“ wird so zum Versuch, noch das letzte bisschen Markenwert zu monetarisieren.

Der Verbraucher merkt es – spätestens beim Blick auf die Zutatenliste oder in die Packung. Und jetzt auch offiziell: Foodwatch hat’s auf den Punkt gebracht. Eine Marke, die mal für feine Schokolade stand, wird zur Werbeattrappe im XXL-Format. Die lila Kuh hat ihren Stall verloren.

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