Ein teurer Blackout in der Primetime
Als Bundeskanzler Friedrich Merz am Dienstagabend bei Sandra Maischberger Platz nahm, rechnete wohl niemand mit einem haushaltspolitischen Offenbarungseid.
Doch genau der folgte. Auf die Frage, ob eine Rentenversicherung mit jährlich 120 Milliarden Euro Steuerzuschuss noch stabil sei – und ob man dazu noch einmal 47 Milliarden Euro bis 2031 addieren könne – antwortete Merz: „Darf ich mal fragen, welche Zahlen das sind. Das sind Zahlen, die ich nicht kenne.“
Ein Satz, der für Schlagzeilen sorgt. Denn diese 47 Milliarden sind keine spekulative Schätzung eines Instituts – sie stammen aus dem offiziellen Referentenentwurf des Arbeitsministeriums. Dort ist schwarz auf weiß zu lesen, wie teuer die Rentenpläne der Regierung wirklich sind: exakt 46,8 Milliarden Euro.
Zahlenblind in der Rentenpolitik
Dass ein Kanzler nicht jeden Posten im Haushalt im Kopf hat – geschenkt. Aber hier geht es um die Kernprojekte der eigenen Regierung: Sicherung des Rentenniveaus, Vollendung der Mütterrente.
Wenn ein Regierungschef die Kosten dafür nicht kennt, wirkt das nicht ehrlich – sondern unvorbereitet. Und das in einer Lage, in der für die Jahre 2027 bis 2029 ein Haushaltsloch von 144 Milliarden Euro klafft.
Zum Problem wird das vor allem, weil Merz bei Maischberger nicht das erste Mal mit Zahlen danebengreift. Schon im Wahlkampf verwechselte er das geplante Klimageld mit einer Stromsteuersenkung und nannte falsche Beträge. Auch das Finanzministerium musste daraufhin mehrfach Klarstellungen versenden.
Falsche Fakten zur Mütterrente
Besonders irritierend: Merz begründete die geplante Ausweitung der Mütterrente – Kostenpunkt: fünf Milliarden Euro jährlich – mit dem Satz, die betroffenen Mütter „hätten bisher nichts davon“.

Faktisch falsch. Müttern von vor 1992 geborenen Kindern werden heute bereits zweieinhalb Jahre Erziehungszeit angerechnet. Der Unterschied zu den später Geborenen beträgt nur ein halbes Jahr – das bringt rund 20 Euro mehr im Monat.
Natürlich kann man auch diese 20 Euro als Frage der Gerechtigkeit sehen. Aber fünf Milliarden Euro für einen Miniunterschied – in Zeiten leerer Kassen? Selbst Experten aus der Rentenversicherung schütteln den Kopf. Zumal das Projekt mit immensem Verwaltungsaufwand verbunden wäre.
Günstigere Schnitzel für Milliarden?
Auch bei der Begründung zur Gastro-Steuer vergab der Kanzler die Chance auf Seriosität. Statt auf fiskalische oder beschäftigungspolitische Argumente zu setzen, sagte Merz: Die Menschen sollten sich „wieder einen Restaurantbesuch leisten können“. Klingt bürgernah – ist aber ökonomisch dünn.
Denn die Umsatzsteuersenkung auf Speisen in der Gastronomie kostet rund vier Milliarden Euro im Jahr. Laut Finanzministerium soll damit vor allem die Branche gestützt werden – nicht die Gäste. Der Branchenverband Dehoga ließ zuletzt auch wenig Hoffnung auf Preissenkungen: Viele Betriebe stünden „mit dem Rücken zur Wand“ – und würden die Entlastung zur Deckung eigener Kosten verwenden.
Regieren ohne Taschenrechner?
Zwei Dinge fallen auf: Merz argumentiert bei milliardenschweren Entscheidungen mit zweifelhaften Motiven – und kennt teils nicht einmal die zugrundeliegenden Zahlen. Für jemanden, der sein Image als nüchterner Finanzexperte aufgebaut hat, ist das mehr als nur ein Schönheitsfehler. Es ist ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Gerade die Union hatte der Ampelregierung in der Vergangenheit mangelnde Haushaltsdisziplin und unseriöse Ausgabenplanung vorgeworfen. Nun steht Merz selbst im Verdacht, nicht besser zu wirtschaften – sondern lediglich rhetorisch besser zu verkaufen. Doch wenn die Zahlen nicht stimmen, hilft auch kein Soundbite.
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