25. Mai, 2025

Merck baut ein Mini-Organ für die Zukunft

Mit einem "Organ-on-a-Chip" wagt sich Merck in ein neues Terrain: Gemeinsam mit dem belgischen Forschungsinstitut Imec will der DAX-Konzern die medizinische Forschung revolutionieren – und gleichzeitig das Tierversuchssystem ins Wanken bringen.

Merck baut ein Mini-Organ für die Zukunft
Merck und Imec versprechen, mit ihrer „Organ-on-a-Chip“-Plattform Tierversuche zu reduzieren – doch bisher sind Zulassungsbehörden beim Ersatz präklinischer Modelle skeptisch.

Der Darmstädter Wissenschafts- und Technologiekonzern Merck will seine Rolle als globaler Innovator in der Wirkstoffforschung weiter ausbauen – und setzt dabei auf Technik, die wie Science-Fiction klingt: "Organ-on-a-Chip".

Dahinter verbirgt sich eine mikrophysiologische Plattform, die künftig menschliche Organe in Miniatur nachbildet. Gemeinsam mit dem belgischen Hochtechnologiezentrum Imec entwickelt Merck ein skalierbares System, das biologische Reaktionen des menschlichen Körpers besonders präzise simulieren soll.

Ziel: realitätsnahe Trainingsdaten für KI-Modelle, bessere Wirkstoffe – und weniger Tierversuche.

Digitale Biologie statt Versuchslabor

Organ-on-a-Chip-Systeme gelten als Schlüsseltechnologie für die Zukunft der Pharmaforschung. Sie kombinieren Biologie, Elektronik und Datenanalyse auf wenigen Quadratzentimetern.

Statt Medikamente an Tiermodellen zu testen, könnten sie physiologische Prozesse direkt auf einem Chip erfassen, auswerten und mit Künstlicher Intelligenz analysieren.

"Mit dieser Technologie schaffen wir die Basis für personalisierte Medizin ", erklärt Merck in einer Mitteilung.

Der größte Vorteil: Anders als bei Tierversuchen können menschliche Zellreaktionen unter reproduzierbaren Bedingungen dargestellt werden. Vor allem die Datenqualität und –menge dürften für die pharmazeutische Industrie einen Quantensprung bedeuten.

Die geplante Plattform von Merck und Imec verspricht skalierbare Module, die sich an unterschiedliche Organtypen anpassen lassen und komplexe Stoffwechselprozesse darstellen können.

„Organ-on-a-Chip“-Technologien gelten als Hoffnungsträger in der Wirkstoffforschung. Ob Merck damit tatsächlich die Entwicklungszeit neuer Medikamente signifikant verkürzt, ist noch offen.

Neue Realitäten für die Arzneimittelentwicklung

Für Merck ist die Partnerschaft mit Imec strategisch: Der Konzern will sich als Technologietreiber im Spannungsfeld zwischen Biotechnologie und Digitalisierung positionieren.

Die Chip-Systeme sollen nicht nur die Entwicklung neuer Medikamente beschleunigen, sondern auch deren Sicherheit und Wirksamkeit in früheren Phasen verlässlich vorhersagen.

In Zeiten wachsender regulatorischer Anforderungen und gesellschaftlicher Kritik an Tierversuchen trifft Merck damit einen Nerv.

Das Unternehmen könnte mit dem Projekt nicht nur wissenschaftliche Relevanz gewinnen, sondern auch ethische Standards neu setzen – und sich zugleich Zugang zu einem Milliardenmarkt verschaffen: Laut Schätzungen könnte der globale Markt für mikrophysiologische Systeme bis 2030 auf mehr als 6 Milliarden US-Dollar anwachsen.

Forschungskooperation mit politischem Potenzial

Dass ausgerechnet ein DAX-Konzern wie Merck die Brücke zwischen Biochip-Technologie und industrieller Arzneimittelentwicklung schlagen will, könnte Signalwirkung haben.

Imec gilt als eines der weltweit führenden Institute für Nanoelektronik und könnte das technische Fundament liefern, Merck den Zugang zur regulatorischen Praxis und zur pharmazeutischen Industrie.

Die Merck-Aktie notierte nach der Bekanntgabe der Partnerschaft leicht im Plus. Doch der eigentliche Wert der Nachricht dürfte weniger kurzfristig auf dem Kurszettel, als vielmehr langfristig im Labor entstehen.

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