04. Juli, 2025

Wirtschaft

Mehr Arbeitslose, weniger Jobs – Der deutsche Arbeitsmarkt verliert an Dynamik

Die Arbeitslosenzahlen steigen, während Unternehmen kaum noch einstellen. Die Regierung ringt um Antworten, die Opposition präsentiert einfache Rezepte – doch die Realität ist komplexer.

Mehr Arbeitslose, weniger Jobs – Der deutsche Arbeitsmarkt verliert an Dynamik
Zahl der Arbeitslosen steigt im Juni auf 2,914 Millionen – das sind 188.000 mehr als im Vorjahr. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stagniert, der Jobmotor stottert.

Ein schwacher Juni mit politischem Nachhall

Die Zahl klingt auf den ersten Blick nicht dramatisch – doch sie ist ein Symptom einer tieferliegenden Schwäche: Im Juni 2025 waren in Deutschland 2,914 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, rund 188.000 mehr als im Vorjahresmonat.

Arbeitsmarkt im Juni 2025 | Bundesagentur für Arbeit

Zwar blieb die Arbeitslosenquote im Monatsvergleich stabil bei 6,2 Prozent. Doch das täuscht über den Trend hinweg: Der Arbeitsmarkt kühlt sich weiter ab – und zeigt, wie fragil die deutsche Beschäftigungslage geworden ist.

„Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst praktisch nicht mehr“, erklärte Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit.

Ihre Worte klingen nüchtern, aber deutlich: Die Wirtschaft steht. Und mit ihr der Jobmotor.

Stellenabbau trotz Fachkräftemangel

Laut Bundesagentur waren im Juni rund 632.000 Stellen offen – das sind 69.000 weniger als noch vor einem Jahr. Gleichzeitig sank laut Jobportal Indeed die Zahl der ausgeschriebenen Jobs auf den Stand von 2021.

Es ist ein paradoxer Zustand: Fachkräftemangel wird weiter beklagt, doch die Einstellungsbereitschaft sinkt. Unternehmen halten sich zurück, selbst dort, wo Personal gebraucht wird.

Das ist auch eine Reaktion auf die schwache Konjunktur. Viele Firmen warten ab, investieren weniger, verschieben Einstellungen. Und sie rechnen – mit Energiepreisen, mit Löhnen, mit Bürokratie. Für Unternehmen wird die Beschäftigung zum Risiko. Und für Jobsuchende zur Hängepartie.

Opposition liefert einfache Antworten

Die AfD greift das Thema auf ihre Weise auf. Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, René Springer, spricht von einer „verfehlten Wirtschaftspolitik“, die Jobs koste.

Deutschland verliere Arbeitsplätze durch „Bürokratie, Rekordabgaben und zu hohe Energiekosten“. Anstelle ausländischer Arbeitskräfte solle man das „eigene Potential“ aktivieren – gemeint sind Bürgergeldempfänger.

Auch CDU-Kanzler Friedrich Merz hatte vor der Bundestagswahl im Februar versprochen, genau dort anzusetzen: Rund 1,7 Millionen Menschen könnten laut seiner Aussage arbeiten, tun es aber nicht. Das Bürgergeld steht politisch weiter unter Druck – nicht nur aus Gründen der Staatsausgaben, sondern zunehmend auch als Symbol für ein Arbeitskräfte-Reservoir, das brachliegt.

Ausbildung statt Arbeitsplatz?

Ein Lichtblick zeigt sich bei den Ausbildungen. Seit Oktober haben sich knapp 400.000 Bewerberinnen und Bewerber bei Agenturen und Jobcentern für eine Ausbildung gemeldet – 13.000 mehr als im Vorjahr.

Das ist bemerkenswert, denn eigentlich war die Berufsausbildung jahrelang ein Sorgenkind. Dem stehen allerdings 25.000 weniger gemeldete Ausbildungsstellen gegenüber. Auch hier gilt: Der Wille wächst, doch das Angebot sinkt.

Kurzarbeit als Vorbote?

Noch ist die Zahl der Kurzarbeitsanzeigen überschaubar: Im Juni wurde für rund 35.000 Menschen Kurzarbeit angezeigt. Doch auch hier lohnt ein zweiter Blick. Die Zahlen steigen wieder – langsam, aber sichtbar. Sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben, könnte das Modell erneut zum zentralen Instrument der Arbeitsplatzsicherung werden.

Wirtschaftspolitik im Nebel

Die deutsche Wirtschaft steht an einem empfindlichen Punkt. Das Wachstum stagniert, Investitionen bleiben aus, die Transformation zur klimafreundlichen Industrie stockt. Gleichzeitig fehlen vielerorts Fachkräfte, doch der Staat kann sie kaum mobilisieren. Weder durch Zuzug – noch durch Aktivierung.

Bürgergeldempfänger gelten dabei manchen als stille Reserve. Doch wer genauer hinschaut, sieht: Viele von ihnen sind gesundheitlich eingeschränkt, in Betreuungssituationen oder schlicht nicht qualifiziert für die offenen Stellen. Die Lücke ist real – aber sie lässt sich nicht durch Parolen schließen.

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