In Polen tobt vor der entscheidenden Stichwahl um das Präsidentenamt ein intensiver Wahlkampf, der das Land in zwei konträre Lager spaltet. Auf dem geschichtsträchtigen Platz vor dem Warschauer Rathaus versammeln sich Anhänger von Rafal Trzaskowski, dem liberalen Oberbürgermeister der Hauptstadt. Mit roten und weißen Fahnen geben sie ein eindrucksvolles Bild des Engagements und der Unterstützung für ihren Kandidaten ab. Trzaskowski, ein Befürworter von Reformen und einer stärkeren pro-europäischen Ausrichtung, genießt zudem die Rückendeckung durch den Regierungschef Donald Tusk. Sein Wahlkampf steht unter dem Zeichen einer tiefgreifenden Integration Polens in die europäische Gemeinschaft.
Gleichzeitig ist der Charles-de-Gaulle-Platz ein Zentrum für die Unterstützer von Karol Nawrocki, einem unabhängigen Kandidaten, dessen Kampagne von der oppositionellen Partei PiS getragen wird. Hier bestimmen nationale Symbole das Bild und kraftvolle Musik untermauert die leidenschaftlichen Versammlungen. Beide Lager propagieren ihre Visionen mit Nachdruck, um in den letzten Tagen des Wahlkampfes entscheidende Wählerstimmen zu gewinnen. Die Meinungsumfragen zeichnen ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten, die jeweils bei rund 47 Prozent Zustimmung liegen, ab.
Der Ausgang dieser Wahl ist von großer Bedeutung, nicht nur für Polen, sondern auch für die gesamte Europäische Union, insbesondere für Deutschland. Ein Sieg von Trzaskowski könnte den Turbo für weitreichende Reformen zünden, die Polen stärker in die europäische Gemeinschaft integrieren und den Weg für eine pro-europäische Ausrichtung ebnen würden. Im Gegensatz dazu könnte ein Sieg von Nawrocki eine Fortsetzung der national ausgerichteten Blockadepolitik bedeuten, wie sie bereits von Präsident Andrzej Duda, ebenfalls von der PiS, praktiziert wurde. Duda hatte mit seinem Vetorecht in der Vergangenheit etliche Projekte der Tusk-Regierung blockiert.
Eine zusätzliche Spannungsebene im Wahlkampf stellt die Rolle von rechtsextremen Bewegungen dar. Bei der ersten Wahlrunde erzielten diese bemerkenswerte Zugewinne, nicht zuletzt durch den Unternehmer Slawomir Mentzen, der mit einem konservativen Programm fast 15 Prozent der Wählerstimmen gewann. Mentzen sucht die Aufmerksamkeit beider Präsidenschaftskandidaten für seinen Acht-Punkte-Plan, dessen Unterstützung er von Nawrocki bereits durch eine Unterschrift erhalten hat. Trzaskowski hingegen lehnt diesen Programmplan kategorisch ab.
Trotz der Herausforderungen, die rechtsextreme Wählerbasis für sich zu gewinnen, kann Trzaskowski auf wichtige internationale Unterstützung zählen. Nicusor Dan, der kürzlich gewählte Präsident Rumäniens, hat ihm seine Anerkennung ausgesprochen und unterstrich die Wichtigkeit einer proeuropäischen Ausrichtung in Osteuropa. Diese internationale Resonanz verleiht Trzaskowskis Kampagne zusätzlichen Schwung und könnte im letzten Wahlkampfstoß von entscheidendem Vorteil sein.