Der Asien-Traum wird zum Albtraum
Die Strecke von Frankfurt nach Peking war schon vor dem Ukraine-Krieg kein Schnäppchen. Seitdem Russland für europäische Airlines zur No-Fly-Zone wurde, müssen Lufthansa & Co. ohnehin große Bögen schlagen – meist über den Nahen Osten. Doch seit Anfang dieser Woche geht selbst das nicht mehr wie gewohnt.
Der Grund: Der alte Krisenherd Kaschmir ist wieder aufgeflammt. Nach einem nächtlichen Luftschlag der Inder auf pakistanischem Gebiet schloss Islamabad seinen Luftraum – zuerst teilweise, inzwischen nahezu vollständig. Und das hat drastische Folgen für alle, die von Europa nach Südasien und Fernost fliegen wollen.
Flüge durch die Krise: teuer, langsam, ineffizient
„Für viele Airlines bedeutet das einen Umweg von zwei bis drei Stunden – pro Strecke“, sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
Noch schwerer wiegt: Die längeren Flugzeiten treiben die Kosten pro Flug um 40.000 bis 50.000 Euro in die Höhe. Das sei betriebswirtschaftlich kaum noch tragbar.
Die Lufthansa-Gruppe hat bereits Konsequenzen gezogen. Einige Langstrecken nach China wurden in den vergangenen Monaten gestrichen, andere stehen nun erneut zur Disposition. Auch Flüge nach Indien, Thailand oder Singapur werden spürbar teurer – nicht für die Passagiere allein, sondern vor allem für die Fluggesellschaften selbst.

Luftraum dicht: Wer jetzt noch fliegt, fliegt leerer
Längere Flugzeiten bedeuten nicht nur höhere Kerosinkosten. Um die zusätzliche Strecke zu schaffen, müssen Maschinen mit mehr Treibstoff beladen werden – auf Kosten der Nutzlast. Weniger Fracht, weniger Passagiere, weniger Profit. Im Zweifel bleiben Sitze leer oder Frachtcontainer am Boden.
„Gerade auf wirtschaftlich ohnehin schwierigen Strecken kann so ein Engpass schnell den Ausschlag geben“, sagt Großbongardt. „Viele europäische Airlines sind längst nicht mehr konkurrenzfähig – und verlieren weiter an Boden gegenüber Asiens Billig- und Golf-Airlines.“
Golf-Airlines im Vorteil – wieder einmal
Während Europas Carrier also notgedrungen ihre Karten neu mischen müssen, bleibt die Konkurrenz im Vorteil. Airlines wie Emirates oder Etihad fliegen ohnehin über den Golf – ihre Routen ändern sich kaum.
Zudem dürfen viele von ihnen, etwa auf Verbindungen nach China, weiterhin den russischen Luftraum nutzen. Ergebnis: kürzere Strecken, günstigere Preise, mehr Spielraum.
Was einst als Vorteil europäischer Fluglinien galt – die Nähe zu großen west-östlichen Wirtschaftskorridoren – wird zur strukturellen Schwäche. Die geopolitische Großwetterlage spielt denen in die Hände, die weniger politische Reibungspunkte haben – oder einfach pragmatischer agieren.
Chinas Airlines: schneller, günstiger, effizienter
Ganz anders die Situation für chinesische Fluggesellschaften. Peking erlaubt seinen Airlines weiterhin die Nutzung des russischen Luftraums. Während Lufthansa & Co. also mühsam um Konfliktregionen herumnavigieren müssen, fliegen Air China, China Southern und Co. auf direkterem Weg – und damit deutlich günstiger.
In einem Markt, in dem die Margen ohnehin dünn sind, wird aus jedem Umweg ein Wettbewerbsnachteil. Das könnte auf mittlere Sicht nicht nur einzelne Strecken, sondern ganze Geschäftsmodelle in Frage stellen.
Politik am Himmel: Fliegen als geopolitisches Risiko
Der Fall zeigt einmal mehr: Der Luftverkehr ist längst nicht nur ein logistisches, sondern vor allem ein politisches Geschäft. Ob Russland, Iran, Ukraine oder nun wieder Pakistan – jeder Konflikt hinterlässt Flugspuren. Wer die Lufthoheit verliert, verliert im Zweifel auch wirtschaftlich.
Für die Lufthansa bedeutet das nicht nur steigende Kosten, sondern auch eine strategische Schwächung. Und das in einer Phase, in der man ohnehin mit Umstrukturierungen, steigenden Umweltauflagen und einem angespannten Wettbewerb kämpft.
Wie lange geht das gut?
Noch hoffen Experten darauf, dass der Kaschmir-Konflikt nicht weiter eskaliert – und der Luftraum über Pakistan in absehbarer Zeit wieder geöffnet wird. Doch bis dahin zahlen europäische Airlines drauf. Wortwörtlich.
Sollte sich die Lage verschärfen oder über Wochen hinausziehen, könnten weitere Strecken gestrichen, Flugpläne überarbeitet und Kunden an die Konkurrenz verloren gehen. Die wirtschaftlichen Folgen wären für die ohnehin angeschlagenen europäischen Airlines erheblich – und möglicherweise dauerhaft.
Das könnte Sie auch interessieren:
