Die SPD hat ihre neue Parteispitze benannt – und bleibt ihrem Prinzip der doppelten Machtverteilung treu.

Auf Saskia Esken folgt Bärbel Bas. Der Duisburgerin zur Seite steht Lars Klingbeil, der seinen Einfluss zementiert. Neu ist vor allem die Klarheit: Die Sozialdemokratie stellt sich offen auf die linke Seite.
Rückzug mit Ansage
Saskia Esken zieht sich zurück, offiziell „freiwillig“. Doch die Erleichterung über ihren Abschied ist spürbar – auch in der eigenen Partei. Sie habe den Laden zusammengehalten, sagen manche. Andere sprechen von einer Vorsitzenden, die zuletzt mehr gestört als geführt habe.
Fakt ist: Ihre Popularitätswerte lagen im Keller, selbst in SPD-Kreisen war die Geduld aufgebraucht. Mit Bärbel Bas kommt nun eine Person, die inhaltlich ähnlich tickt – aber deutlich besser ankommt.
Bas steht für das, was der SPD fehlt
Bärbel Bas ist 57 Jahre alt, gelernte Sozialversicherungsangestellte, langjähriges SPD-Mitglied und Bundesarbeitsministerin. Sie bringt das mit, was der SPD zuletzt verlorenging: Nähe zur Arbeiterklasse.
Ihr Lebenslauf ist kein Elitenzeugnis, sondern Alltagserfahrung. Genau das macht sie für viele zum idealen Gesicht eines Neuanfangs – insbesondere in Nordrhein-Westfalen, wo die Partei dramatisch an Rückhalt verloren hat.

Die Wahl von Bas ist kein revolutionärer Schritt, aber ein strategisch kluger. Sie beruhigt die Parteilinke, signalisiert soziale Bodenhaftung und stabilisiert Klingbeils Machtanspruch.
Die linke Flanke ist dicht besetzt
Nicht nur Bas, auch der designierte Generalsekretär Tim Klüssendorf stammt aus dem linken Flügel der SPD. Der 33-jährige Lübecker ist Sprecher der Parlamentarischen Linken im Bundestag und positioniert sich klar für Umverteilung und Steuergerechtigkeit.
Er fordert eine Vermögenssteuer und will Erbschaften stärker belasten – ein Programm, das den Applaus der Basis garantiert, aber bei Koalitionspartnern Stirnrunzeln auslöst.
Zusammen mit Matthias Miersch, dem neuen Fraktionschef, steht nun das Trio Bas–Miersch–Klüssendorf für einen klaren Kurs: links, offensiv, parteiintern konsensfähig. Doch ob das reicht, um Wähler zurückzugewinnen, ist fraglich.
Klingbeils Balanceakt
Lars Klingbeil bleibt Co-Vorsitzender. Der Niedersachse, eher im konservativeren Seeheimer Kreis verortet, betreibt Machtpolitik mit Bedacht.
Die Berufung von Bas ist auch eine Konzession an die Kritiker aus NRW, die ihn zuletzt auf Parteitagen offen angegriffen haben. Sein Ziel ist offensichtlich: Die Flügel beruhigen, die Partei stabilisieren, ohne selbst an Einfluss zu verlieren.
Die Strategie: Der linke Flügel darf jetzt Personal besetzen, Klingbeil behält den Taktstock in der Hand. Das kann funktionieren – oder genau die Konflikte auslösen, die man vermeiden wollte.
Ein Generalsekretär auf Probe
Tim Klüssendorf ist ein Risiko. Kaum überregional bekannt, keine Führungserfahrung, aber viel Haltung. Er soll das „progressive Profil“ der SPD schärfen – und gleichzeitig nicht mit dem Koalitionspartner FDP kollidieren. Eine Gratwanderung.
Er selbst tritt mit „Demut und Selbstbewusstsein“ an. Seine Idee: moderner Politikstil, mehr digitale Kommunikation, transparenteres Auftreten. Klingt gut – wurde aber von vielen vor ihm angekündigt. Entscheidend wird sein, ob Klüssendorf Impulse setzen kann, die über die Funktion eines Pressesprechers hinausgehen.
Parteitag als Lackmustest
Ende Juni wird die neue SPD-Spitze formal gewählt. Bis dahin bleibt alles vorläufig – auch das Gleichgewicht der Kräfte. Denn intern brodelt es weiter. Die Landesverbände haben ihre eigenen Vorstellungen, die Bundestagsfraktion ihre Dynamiken, die Parteijugend ihre Forderungen.
Die große Herausforderung: aus dieser Vielfalt eine handlungsfähige Partei zu formen, die auch nach außen als solche wahrgenommen wird.
Ein linker Kurs – aber mit welchem Ziel?
Die SPD will wieder Profil zeigen. Doch wohin die Reise genau gehen soll, bleibt offen. Sozial gerechter? Sicher. Progressiver? Vielleicht. Wahltaktisch klüger? Das wird sich zeigen müssen.
Mit 16,4 Prozent bei der letzten Bundestagswahl steht die Partei unter massivem Druck. Die neue Führung muss nicht nur Parteitage gewinnen, sondern verlorene Milieus zurückerobern.
Dazu reicht es nicht, die linke Flanke zu stärken. Die SPD muss erklären, wofür sie steht – jenseits von Personalrotationen. Sonst bleibt die neue Doppelspitze nur ein Signal an die eigene Basis. Und kein Aufbruch für das Land.
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