Der Schweizer Franken ist aktuell die Währung der Wahl für Investoren in unsicheren Zeiten – und genau darin liegt das Problem. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat diese Woche den Leitzins auf null Prozent gesenkt.
Ein Schritt, der zeigt, wie sehr sich die Geldpolitik der Alpenrepublik von der vieler anderer Länder entfernt hat. Während in Europa und den USA die Zinsen weiter steigen, kämpft die Schweiz mit einer immer stärker werdenden Währung, die Export und Wachstum ausbremst.
Seit Jahresbeginn ist der Franken gegenüber dem Dollar um etwa zehn Prozent gestiegen. Für die Exportwirtschaft, die einen Großteil der Schweizer Wirtschaft ausmacht, bedeutet das steigende Preise im Ausland und sinkende Wettbewerbsfähigkeit.
Pharmariesen wie Roche und Novartis spüren den Druck auf ihre Gewinnmargen bereits deutlich. Zugleich leidet der Tourismus, weil das Leben in der Schweiz immer teurer wird – die Konkurrenz in der Nachbarschaft kann da kaum mithalten.
Doch es sind nicht nur die Unternehmen, die unter dem starken Franken leiden. Auch die SNB steht vor einer Zerreißprobe. Die Inflation, die in vielen Ländern die Notenbanken zur Zinserhöhung zwingt, ist in der Schweiz bereits unter die Null-Linie gefallen.
Im Mai sank das Preisniveau um 0,1 Prozent. Das Deflationsgespenst macht sich breit. Normalerweise würde die Zentralbank nun die Zinsen senken, um die Konjunktur zu stützen.
Doch Negativzinsen sind ein zweischneidiges Schwert. Schon heute werden zweijährige Schweizer Staatsanleihen mit negativen Renditen gehandelt – das heißt: Anleger zahlen dafür, ihr Geld in Schweizer Staatsanleihen anzulegen.

Für Banken und Sparer könnte das bald zum bitteren Alltag werden: Strafzinsen auf Einlagen sind keine ferne Zukunft mehr, sondern eine reale Gefahr. Für viele ist das kaum vorstellbar in einem Land, das jahrzehntelang für Stabilität und Verlässlichkeit stand.
Die SNB bewegt sich damit in einem Dilemma, das viele Zentralbanken weltweit kennen: Steigt der Leitzins, wird der Franken noch attraktiver, was Export und Wirtschaft weiter schwächt. Senkt sie ihn oder hält ihn niedrig, bleiben die negativen Nebenwirkungen auf das Bankensystem und die Sparer.
Erschwerend kommt hinzu, dass diese Entwicklung von globalen Kapitalströmen angetrieben wird. Jede geopolitische Krise oder wirtschaftliche Unsicherheit – sei es in den USA, Europa oder dem Nahen Osten – führt zu einer Flucht in die Schweiz. Das Land, das seit Jahrzehnten als sicherer Hafen gilt, muss jetzt mit den Folgen dieser Beliebtheit kämpfen.
Das Schweizer Experiment zeigt: Traditionelle geldpolitische Werkzeuge funktionieren nicht mehr wie früher. Kapital ist global mobil, und die Geldpolitik einzelner Länder stößt schnell an Grenzen. Die Schweiz, die lange Zeit als Musterbeispiel für solide Finanzpolitik galt, steht jetzt exemplarisch für die Herausforderungen einer vernetzten Welt.
Die Nationalbank muss einen Weg finden, wie sie die starke Währung dämpfen kann, ohne das fragile Gleichgewicht zu zerstören. Ein Balanceakt, der über das Wohl der gesamten Schweizer Wirtschaft entscheidet. Für Investoren heißt das: Vorsicht vor zu großen Hoffnungen auf stabile Rahmenbedingungen in der Schweiz. Für die Politik und Notenbanken weltweit ist es ein Warnsignal, dass einfache Rezepte in einer komplexen Welt nicht mehr ausreichen.
Der Franken frisst die Schweiz – und wie die Nationalbank darauf reagiert, wird Folgen weit über die Alpen hinaus haben.
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