Frank Thelen steigt in ein Terrain ein, das bisher Hedgefonds vorbehalten war: Hochfrequenzstrategien, automatisierte Modellportfolios, Datengetriebene Entscheidungen. Der Tech-Investor und Fondsmanager hat gemeinsam mit Michael Geke, dem Gründer des Fintechs Quantmade, ein neues Unternehmen ins Leben gerufen: Quant42.
Über diese Plattform sollen künftig Zertifikate mit KI-gesteuerten Quant-Strategien an der Börse handelbar sein. Mit der UBS steht ein Schwergewicht als Emittent dahinter.
Thelen bewirbt das Projekt als Demokratisierung. „Strategien, die früher nur institutionellen Investoren zugänglich waren, können jetzt alle nutzen“, sagt er. Die Botschaft ist klar: Was Hedgefonds können, können Privatanleger jetzt auch. Doch zwischen Marketing und Realität liegt ein breiter Graben – und der ist mit Risiken gefüllt.
KI als Portfoliomanager – und der Anleger als Versuchsperson
Quant42 startet mit zwei Produkten. Das erste, „Quant42 Core“, analysiert täglich Aktien aus dem S&P 100 und dem Nasdaq 100. Die KI soll Fehlbewertungen erkennen und auf dieser Basis handeln. Long oder Short, 150 bis 200 Trades im Jahr, bei Bedarf sogar komplette Umschichtung in Cash. Das zweite Zertifikat, „Quant42 Plus“, nutzt den gleichen Algorithmus, geht aber aggressiver vor – mit mehr Risiko und der Aussicht auf höhere Gewinne.
In Präsentationen versprechen die Gründer beeindruckende Kennzahlen:
15,4 Prozent Jahresrendite bei der konservativeren Variante, rund 24 Prozent CAGR beim offensiveren Modell. Ein optionaler „Airbag“ soll Verluste abfedern, wobei das Unternehmen offenlässt, wie dieser konkret funktioniert.
Beide Produkte kosten 0,79 Prozent Management Fee und 20 Prozent Performance Fee. Die Gebührenstruktur wirkt vertraut – sie erinnert an Hedgefonds. Das Produkt selbst tut das ebenfalls. Der Unterschied: Zertifikate haben keine Fondsregulierung.
Es gibt keine Diversifikationspflicht. Keine Beschränkung des Risikos. Keine klare gesetzliche Risikogrenze.
Das Emittentenrisiko bleibt beim Anleger
Während Fonds rechtlich Sondervermögen sind – also geschützt, falls Anbieter oder Depotbank insolvent werden – sind Zertifikate etwas völlig anderes: Sie sind Schuldverschreibungen. Der Anleger gibt der UBS Geld und erhält ein Produkt, das einen bestimmten Verlauf nachbildet. Geht die UBS pleite, ist das Geld weg. Punkt.

Zudem trägt der Käufer zusätzlich das volle Strategierisiko. Läuft die KI in eine Marktphase, in der Modelle nicht funktionieren, verliert das Produkt an Wert. Wer die Finanzkrise 2008, den Corona-Crash oder die quantitativen Börsenverwerfungen von 2018 miterlebt hat, weiß: Algorithmen können lange richtig liegen – und dann in wenigen Tagen alles verlieren.
Ein Quant-Analyst eines großen ETF-Hauses formuliert es im Gespräch mit der InvestmentWeek vorsichtig:
„Quant ist faszinierend – bis Märkte nicht mehr reagieren wie in den Trainingsdaten.“
Ein Gründer, der weiß, wie man Aufmerksamkeit erzeugt
Michael Geke ist in der Branche kein Unbekannter. Mit Quantmade gewann er 2025 den „Future Fundstars Award“. Seine Algorithmen verwalten inzwischen über 300 Millionen Euro in verschiedenen Produkten. Mit der Börse Stuttgart bietet er schon länger Strategien für Selbstentscheider an. Die Partnerschaft mit Thelen ist ein logischer Schritt: Geke bringt Technologie, Thelen bringt Reichweite.
Interessant ist jedoch, was Thelens bestehendes Geschäft erklärt: Seine Fondsboutique Teq Capital investiert streng reguliert nach UCITS-Regeln. Für riskantere Strategien fehlen dort die Freiheiten. Zertifikate bieten sie. Sie erlauben aggressives Trading und Leverage – und benötigen keinen Prospekt mit hunderten Seiten Risikohinweisen.
Thelen und Geke erhalten eine Performancegebühr, wenn das Produkt gut läuft. Versteht der Anleger das Produkt vollständig? Muss er nicht.
Produkt oder Storytelling?
Die Marketingbotschaft ist klar:
„Wir bringen Hedgefonds-Power aufs Smartphone.“
Doch entscheidend ist nicht, wie gut sich die Strategie anhört, sondern wie sie sich in Stressphasen verhält. Die KI kann täglich handeln. Sie kann aggressiv hebeln. Sie darf Risiken eingehen, die ein Fonds regulatorisch nie eingehen dürfte.
Das ist Freiheit – aber sie gehört nicht dem Anleger.
Sie gehört dem Produkt.


