03. Juli, 2025

Reichtum

Konzert? Klar – wenn du dir’s leisten kannst

Die Ticketpreise für Live-Musik erreichen absurde Höhen. Schuld daran ist nicht nur Ticketmaster. Ein ganzes System verdient daran, dass Fans draufzahlen.

Konzert? Klar – wenn du dir’s leisten kannst
Die durchschnittlichen Ticketkosten für Top-Acts lagen 2024 bei über 135 Dollar – ein Anstieg um mehr als 40 % seit 2019. Wer spät klickt, zahlt drauf.

Ein Drittel der Miete – für zwei Stunden Beyoncé

Wer heute Tickets für ein Konzert sucht, bekommt schnell das Gefühl, im falschen Film zu sein. 250 Euro für Sitzplätze in der dritten Reihe, 700 Euro auf dem Zweitmarkt – und das für Künstler, die früher Clubs füllten, nicht Stadien.

Konzertbesuche sind längst kein erschwingliches Freizeitvergnügen mehr, sondern ein Event für die besserverdienende Generation Streaming.

Laut Pollstar kostete ein Ticket für eine der 100 größten Tourneen im Jahr 2024 im Schnitt 135,92 Dollar – das sind über 40 Prozent mehr als noch 2019. Vor knapp 30 Jahren lag der Durchschnittspreis bei unter 30 Dollar. Was ist passiert?

Streaming bringt Exposure – aber kein Geld

Früher verkauften Musiker Alben und tourten zur Promo. Heute ist es umgekehrt: Musik bringt kaum Einnahmen, Konzerte sind die Hauptquelle. Und wer davon leben will, muss den Ticketpreis eben mitbedenken.

Die meisten Künstler verdienen an Streaming-Plattformen Centbeträge – auch weil Labels und Tech-Konzerne den Großteil abschöpfen.

Ergebnis: Bands touren mehr, aufwändiger und mit höheren Erwartungen. Große Lichtshows, Pyro, riesige Technik und ein Tross von über 80 Crew-Mitgliedern – das alles kostet.

Einfache Akustik-Sets mit Gitarre im Scheinwerferlicht? Eher die Ausnahme. Der Druck, immer noch spektakulärer zu inszenieren, treibt die Kosten – und damit die Preise.

Ticketmaster ist nicht allein

Schnell landet man beim Lieblingssündenbock der Branche: Ticketmaster, seit 2010 Teil von Live Nation, kontrolliert einen Großteil des Markts. Die US-Regierung klagt inzwischen wegen Monopolmissbrauchs.

Kritiker sprechen von einem vertikal integrierten Giganten, der Künstler bucht, Konzerte organisiert, Veranstaltungsorte besitzt und gleichzeitig die Tickets verkauft – samt undurchsichtiger Gebührenstruktur.

Doch Ticketmaster ist nur Teil des Problems. Sekundärmarktplätze wie StubHub oder Vivid Seats treiben die Preise weiter nach oben – oft noch vor dem offiziellen Verkaufsstart. In vielen Fällen werden Tickets spekulativ gelistet, also verkauft, bevor sie überhaupt verfügbar sind. Und weil Suchmaschinen Resale-Angebote priorisieren, glauben viele Fans fälschlich, nur noch überteuerte Tickets zu finden.

Konzert nur für Wohlhabende: Während Musiker einst mit Alben verdienten, ist heute die Live-Show das Geschäftsmodell – auf Kosten der Fans. 250 Euro für ein Ticket? Kein Einzelfall.

Verbraucherschutz? Fehlanzeige

Zwar gibt es in den USA das sogenannte BOTS Act, das automatisierte Ticketkäufe und Weiterverkäufe unterbinden soll. In der Praxis bleibt die Regelung wirkungslos.

Reseller umgehen die Vorschriften oder verkaufen fiktive Tickets – etwa für Veranstaltungen, die noch gar nicht im Verkauf sind. In Europa greifen einige Staaten härter durch. In Frankreich und Italien sind Spekulation und massive Preisaufschläge verboten. In den USA hingegen regieren die Plattformen.

Manche US-Bundesstaaten – etwa Massachusetts oder Minnesota – gestatten Künstlern, Resale zu beschränken oder den Weiterverkauf auf den Originalpreis zu deckeln. Doch das sind Ausnahmen. In Staaten wie New York oder Colorado hingegen haben Käufer das uneingeschränkte Recht, mit Tickets zu handeln – oft auf Kosten der Fans.


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Dynamisches Pricing – ein Algorithmus diktiert die Emotion

Ticketmaster nutzt sogenannte dynamische Preisgestaltung: Preise passen sich der Nachfrage an – wie bei Hotelzimmern oder Flugtickets. Das bedeutet: Wer schnell klickt, zahlt weniger.

Wer zu spät kommt, zahlt deutlich mehr. Offiziell treffen Menschen die Preisentscheidungen, doch im Hintergrund laufen Rechenmodelle, die maximieren sollen: Umsatz, Marge, Auslastung. Und sie treffen dabei oft exakt die Schmerzgrenze der Fans.

Dass Musiker selbst den Preis mitbestimmen, ist dabei kein Trost. Denn auch sie stehen unter Druck: Wer zu günstig verkauft, überlässt den Gewinn den Wiederverkäufern. Also wird gleich hoch angesetzt – in der Hoffnung, wenigstens selbst zu profitieren.

Undurchsichtige Gebühren, schwache Regulierung, kaum Alternativen

Ein Grundproblem bleibt die fehlende Transparenz. Bis zu 30 % des Ticketpreises bestehen aus Aufschlägen, Bearbeitungs- und Servicegebühren. Wer wohin verdient – Veranstalter, Plattform, Künstler – ist kaum nachvollziehbar.

Und obwohl Ticketplattformen inzwischen verpflichtet sind, den Endpreis anzugeben, fühlen sich viele Fans zu Recht über den Tisch gezogen.

Der Markt ist fest in der Hand weniger Anbieter. Neue Wettbewerber haben kaum Chancen. Wer nicht mitmacht, bekommt keine Künstler – oder kein Publikum. Ticketmaster selbst sagt: Exklusivverträge seien normal, Doppellösungen unerwünscht.

Was tun?

Ein Auseinanderbrechen von Live Nation und Ticketmaster könnte für etwas Wettbewerb sorgen. Auch klare Regeln für Resale-Plattformen, Preistransparenz, Aufschlagsgrenzen und eine Stärkung kleinerer Veranstalter könnten helfen.

Einige Künstler versuchen, dem Trend entgegenzuwirken. Die Band The Cure bestand auf festen Preisen und blockierte Wiederverkäufe. In Kalifornien sank dadurch das Wiederverkaufsvolumen um über 90 Prozent. Doch solche Einzelfälle ändern am System wenig – solange Politik, Justiz und Öffentlichkeit tatenlos zusehen.

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